Blattschneideameisen

APA/DPA/FRANK RUMPENHORST

Radiokolleg - Aufeinander einlassen

Intersubjektivität statt Egozentrik (4). Gestaltung: Hans Groiss.

Sind wir alle auf unsichtbare Weise verbunden und spüren wir unsere Mitmenschen? Wenn dem so ist: Haben wir verlernt diese Informationen zu decodieren und ihre versteckten Botschaften zu verstehen? Welche Entscheidungen treffen wir wirklich selbst in einer hypermediatisierten Welt, wo Informationen ohne Bild, ohne Ton, ohne Gestik oder Mimik hereinprasseln? Was kommt wirklich von uns selbst und warum haben viele das Gefühl zu verschwinden?

"To see a World in a Grain of Sand" - wenn sich die Welt in einem einzigen Sandkorn wiederspiegelt, sei es umso wichtiger, formulierte der englische Dichter Wilhelm Blake, Verantwortung im Kleinen, wie im Großen zu übernehmen. Georg Wilhelm Friedrich Hegel schreibt in seiner Phänomenologie des Geistes "Das Selbstbewusstsein erreicht seine Befriedigung nur in einem anderen Selbstbewusstsein" - wir alle brauchen ein Gegenüber: Um ein "ich" formulieren zu können, braucht es ein "du". Die intersubjektive Interaktion mit anderen ist eine Grundbedingung für die Entwicklung eines "selbst".

Intersubjektivität beschreibt die Bezogenheit zwischen Menschen und deren Prozesse. Der imaginäre Zwischenraum zwischen Beteiligten gestaltet ein intersubjektives Feld. In der Psychoanalyse bedeutet dies, das die Hierarchie zwischen Behandelnden und Behandelter abgebaut wird - nicht mehr der nickende Bartträger auf dem Ohrensessel und die oder der liegende hysterische Kranke, sondern Kommunikation auf Augenhöhe. Auch die Emotionen, Erlebnisse und Erfahrungen der Therapeutinnen und Therapeuten wirken in die Behandlung.

Aber kann diese "intersubjektive Wende" in der Psychologie gesamtgesellschaftliche Relevanz haben und wie könnte sie "vergesellschaftet" werden? Es gibt gute Gründe, warum wir zum Beispiel erste Hilfe leisten, obwohl wir die Betroffenen nicht kennen und dennoch sozial interagieren. Für unser Zusammenleben haben wir Regelwerke und Ordnungen geschaffen, wie etwa die Straßenverkehrsordnung - aber was passiert, wenn wir diese entkoppeln in einer gesamtgesellschaftlichen Begegnungszone? Es hat noch keinen Staat gegeben, in dem Bürgerinnen und Bürger freiwillig Steuern bezahlt hätten - aber warum eigentlich nicht? Wie ist das Verhältnis zwischen ich und den anderen überhaupt und wie stecken wir uns gegenseitig an? Welchen Stellenwert haben die sogenannten Spiegelneuronen und wichtige Erkenntnisse der Kognitionswissenschaften? Was bedeutet Intersubjektivität in der Philosophie und ist sie eine mögliche Ressource?

Service

Der Andere in der Psychoanalyse. Die intersubjektive Wende (Lindauer Beiträge zur Psychotherapie und Psychosomatik) von Michael Ermann
Verlag: Kohlhammer

Die Scham, das Selbst und der Andere. Psychodynamik und Therapie von Schamkonflikten (Bibliothek der Psychoanalyse) von Jens Tiedemann
Psychosozial-Verlag

Unsichtbarkeit. Stationen einer Theorie der Intersubjektivität (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)
von Axel Honnenth
Verlag: Suhrkamp

Ich und die anderen. Zu den intersubjektiven Bedingungen von Selbstbewusstsein (Quellen und Studien zur Philosophie, Band 101) von Andrea Lailach-Hennrich
Verlag: De Gruyter

Ich und die Anderen. Wie die neue Pluralisierung uns alle verändert von Isolde Charim
Verlag: Paul Zsolnay

Solidarität. Die Zukunft einer großen Idee
von Heinz Bude
Verlag: Carl Hanser


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Sendereihe

Gestaltung

  • Hans Groiss