ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Da capo: Im Gespräch
Ruth Mätzler
"Kitsch ist immer ernst gemeint und geht mit der Unfähigkeit einher, zu sich selbst eine kritische Distanz einzunehmen." - Andreas Obrecht im Gespräch mit der Psychoanalytikerin Ruth Mätzler
6. September 2019, 16:05
"Kitsch verkehrt Wahrheit in Lüge und Lüge in pseudoästhetische Verführung". Davon ist die in Salzburg lebende Psychoanalytikerin Ruth Mätzler überzeugt. In ihrem soeben erschienenen Essay "Kitsch und Perversion. Was sich hinter der Fassade sentimentaler Inszenierungen verbirgt" spürt sie dem Motto des Kitsches "Fair is foul, and foul is fair" nach.
Für Mätzler besteht Kitsch aus einer vermeintlich widerspruchsfreien Vorderseite von künstlerischen Produkten, Weltanschauungen und Lebensentwürfen und einer fragwürdigen Rückseite voller gefährlicher und auch menschenverachtender Abgründe. In Filmen, der Literatur und in Ideologien wird mittels Kitsch scheinbar erklärt, tatsächlich aber verschleiert Kitsch die Wahrheit, Machtverhältnisse, Neurosen und destruktive Absichten.
Mätzler hat das am eigenen Leib erfahren: als zur Adoption freigegebenes kleines Mädchen musste sie sich schon im Volksschulalter zwischen verlogenem Handeln, das ihr Sozialprestige einbrachte, und einem ehrlichen aufrechten Gang durch das Leben entscheiden. Diese frühe Erfahrung hat ihr Leben, ihre psychoanalytische Arbeit und auch die Gedanken des vorliegenden Buches entscheidend geprägt.
Im Gespräch mit Andreas Obrecht resümiert Ruth Mätzler: "Kitsch ist immer ernst gemeint und geht mit der Unfähigkeit einher, zu sich selbst eine kritische Distanz einzunehmen. Das macht Kitsch so gefährlich."
Service
Ruth Mätzler, "Kitsch und Perversion: Was sich hinter der Fassade sentimentaler Inszenierungen verbirgt", Müry Salzmann Verlag 2019
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