Johanna Schwanberg

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Familie

"Familienbilder". Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien, beschäftigt sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen, die mit den Mitteln der Kunst sichtbar werden. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Familie geht jede und jeden etwas an, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Selbst wer sich gegen die Gründung einer Familie entscheidet, hat eine Herkunftsfamilie. Da gibt es einen Vater oder eine Mutter, die einem Vorbild waren oder gegen die man sich zeitlebens abzugrenzen versucht. Da gibt es Geschwister, die einem lange über den Tod der Eltern hinaus freundschaftlich oder in Konkurrenz verbunden bleiben. Wie prägend Geschwisterbeziehungen für die eigene Biografie sind, hat die Familienforschung erstaunlicherweise erst in den letzten 15 Jahren richtig in den Blick genommen.

An meinen Kindern habe ich immer wieder beobachtet, welch subtile Mechanismen Geschwister entwickeln, um einander mitten ins Herz zu treffen. Aber auch, wie schmerzlich sie einander vermissen, wenn einer von ihnen auch nur ein paar Tage verreist.

Insofern war ich sofort von den Fotografien der in New York lebenden Künstlerin Elinor Carucci begeistert, als ich bei den Vorbereitungen für unsere kommende Ausstellung "Family Matters" auf ihr Langzeitprojekt "Mother" stieß. Carucci, die 2004 Mutter von Zwillingen wurde, hat ihre künstlerische Arbeit über zehn Jahre lang nahezu ausschließlich der Dokumentation ihres Familienalltags gewidmet. Die Kamera war ständiger Begleiter der vierköpfigen Familie. In ungeschminkter Direktheit, zugleich aber auch nahezu barocker Sinnlichkeit und Farbintensität zeigt die in Tel Aviv aufgewachsene Fotografin die intimsten Momente ihres Familienlebens.

Besonders amüsieren mich jene Fotos, in denen Carucci alltägliche, für Eltern ungemein nervenaufreibende Streitereien zwischen den Geschwistern festhält. So stellen wir in unserer Schau eine Fotografie aus, auf der ein kleines Mädchen mit einer Puppe in der Hand frontal im Vordergrund steht und ausgesprochen verärgert wirkt. Im Hintergrund marschiert ihr gleich alter Bruder mit gesenktem mürrischem Blick aus dem Bild. Die konfliktreiche Atmosphäre wird durch den Titel unterstrichen. Er lautet: "Wir reden nie mehr wieder miteinander".
Daneben ist eine zweite Fotografie zu sehen. Sie zeigt dieselben Kinder. Allerdings umarmen sie einander aufs Herzlichste. Der Titel lässt keinen Zweifel an der Geschwisterliebe. Denn das Bild nennt sich schlicht: "Glück".

Service

Dom Museum Wien: Family Matters

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Wanda
Titel: Meine beiden Schwestern
Album: Bussi
Ausführende: Wanda
Länge: 02:48 min
Label: Vertigo/Universal

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