Christian Scheib hält Buch in Händen

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Le week-end

"Le week-end" nimmt Klavierstunden bei Herrn Chopin (4)

Mit Elke Tschaikner und Christian Scheib. Die Wienerin Friederike Müller, Chopins Lieblingsschülerin.

Im Oktober 1839 hatte Friederike Müller die erste Klavierstunde beim verehrten Komponisten und Pianisten Frederic Chopin absolviert, und ab dann ist die fleißige junge Musikerin zweimal pro Woche bei ihm und berichtet darüber regelmäßig und detailgenau in ihren Briefen an ihre Wiener Tanten.

Inzwischen sind eineinhalb Jahre vergangenen, es ist Mai 1841. Inzwischen ist Friedericke Müller die Lieblingsschülerin von Chopin und seit einiger Zeit nennt sie ihn in ihren Briefen "Pinerl". Und doch naht die Rückkehr der Pianistin nach Wien.

Paris, 23. Mai 1841
Chopin schickt mich nach Wien, meint, ich soll da im Herbst, eigentlich im Winter, gleich öffentlich spielen, und durchaus "Pianiste de Concert" werden. "Professeur" nur so viel, als es meinem Talent nicht viel Nachteil bringt, wie auch ein bisschen meine Nerven an die öffentlichen Auftritte gewöhnen. Ich denke, Chopin findet, dass sein Schüler Gutman, seitdem er "Professeur" ist, viel weniger schön spielt. Ich wandte ein, das habe andere Gründe. Aber ich bin fest überzeugt, dass Pinerl dies wirklich glaubt. Dessauer übrigens sagt, er wettet, dass ich nach Paris zurückkomme, in Wien lässt sich in artistischer Sache ja nichts machen. So wie all diese Personen rathet und urtheilt ein jeder verschieden. Ich kenne Paris und Wien genau, kann Paris nicht besonders leiden und hasse Wien, habe aber in Wien meine Familie, wo ich weiß, dass ich wirklich und wahrlich geliebt bin, was unendlich viel Bitteres versüßt.

Im Spätherbst 1844 kehrt Fräulein Müller noch einmal für ein paar Wochen zurück nach Paris, um ein weiteres Mal Unterricht bei Chopin zu nehmen:

Paris, Samstag, 11. Jänner 1845
Liebe Tante Sophia,
Es ist mir leid, dass ich Paris jetzt verlasse. Alles jammert über unser Weggehen. Nur mein Gebieter, Mister Chopin, der jammert gar nicht über mein Nachhause-Eilen. Das ist vielleicht nicht sehr galant, aber ich will Ihnen die Ursache sagen: Er ist sehr erfreut; er wisse, dass ich Wien viel Einfluss auf die Musikwelt haben werde, und dass meine Schülerinnen mit meiner, das heißt, mit seiner Methode ganz anders spielen müssen, als alle Übrigen. Dass er sich das wünsche und sich sehr freue, durch mich in Wien verstanden und "verdollmetscht" zu sein.

Eine gründliche Skepsis gegenüber dem Konzertbetrieb und den Kritikern gepaart mit einer gewissen Veranlagung zum Lampenfieber: Die von Chopin dem Fräulein Müller aus Wien erwünschte und prophezeite Konzertpianistinnen-Karriere schlug unser Fräulein Müller dann so doch nicht ein. Ihre Konzerttätigkeit ist schnell aufgezählt: Im Dezember 1841 gibt sie ein Privatkonzert in Streichers Konzertsalon, im März 1842 ein vom Musikvereins-Archivar Franz Glöggl organisiertes Konzert und schließlich ein großes eigenes Konzert im Wiener Musikverein, im Beisein der Kaiserin-Mutter Karoline Auguste von Bayern. Da gab es positive Rezensionen aber auch einen Verriss in der Wiener Allgemeinen Musikzeitung, in dem ausgerechnet ihre Chopin Interpretationen bemängelt wurden. Ab 1845 folgen dann einige Konzerte gemeinsam mit dem Jansa Quartett, das letzte dokumentierte Auftreten von Friederike Müller folgt 1848, ein gemeinsamer Auftritt mit ihren Schülerinnen. Nachdem sie den verwitweten Klavierbauer Streicher ein Jahr danach heiratet, widmet sie sich ganz der Familie und dem Familienunternehmen und lässt ihre musikalischen Beziehungen dafür spielen. Friederike Streicher - wie sie nach der Eheschließung heißt, stirbt 80. Lebensjahr, am 12. Dezember 1895, sie ist am Wiener Zentralfriedhof begraben.

Die Briefe, die Friederike Müller in den Jahren 1839 bis 1845 von Paris nach Wien geschickt hat, wurden von Uta Goebl-Streicher aufwändig editiert und herausgegeben, veröffentlicht im Musikverlag Katzbichler.

Service

Musikverlag Bernd Katzbichler

Sendereihe

Gestaltung

  • Elke Tschaikner
  • Christian Scheib

Playlist

Komponist/Komponistin: Frederic Chopin
Titel: Mazurka in C Minor, Op. 30, No. 1
Solist/Solistin: Alfred Cortot, Piano
Länge: 01:30 min
Label: Sony Classical S3K89698

Komponist/Komponistin: Frederic Chopin
Titel: Mazurka in G Minor, Op. 24, No. 1
Solist/Solistin: Alfred Cortot, Piano
Länge: 01:22 min
Label: Sony Classical S3K89698

Komponist/Komponistin: Frédéric Chopin/1810 - 1849
Titel: Nocturne für Klavier in Des-Dur op.27 Nr.2
Solist/Solistin: Fannie Bloomfield Zeisler /Klavierrolle
Länge: 05:18 min
Label: Dal Segno DSPRCD 013

Komponist/Komponistin: Frederic Chopin/1810 - 1849
Titel: Tarantella für Klavier in As-Dur op.43 / Bearbeitung für Klavier zu vier Händen
Ausführende: Duo Egri Pertis /< Pleyel Doppelflügel, Paris 1904 >
Ausführender/Ausführende: Monika Egri /Klavier
Ausführender/Ausführende: Attila Pertis /Klavier
Länge: 03:47 min
Label: Hungaroton Classic HCD 31917

Komponist/Komponistin: Frederic Chopin/1810 - 1849
Titel: Nocturne für Klavier Nr.13 in c-moll op.48 Nr.1
Solist/Solistin: Teresa Carreno /Klavier
Ausführender/Ausführende: Welte Mignon
Länge: 06:14 min
Label: Teldec 843930

Komponist/Komponistin: Frederic Chopin/1810 - 1849
Titel: Scherzo für Klavier Nr.4 in E-Dur op.54 (Ausschnitt)
Solist/Solistin: Elisabeth Leonskaja /Klavier
Länge: 04:53 min
Label: mdg gold 94315586

Komponist/Komponistin: Frederic Chopin/1810 - 1849
Titel: Konzert für Klavier und Orchester Nr.2 in f-moll op.21
* Allegro vivace - 3.Satz
Solist/Solistin: Janusz Olejniczak /Klavier, Erard
Orchester: Das Neue Orchester
Leitung: Christoph Spering
Länge: 08:48 min
Label: Opus 111 OPS 30270

Komponist/Komponistin: Frederic Chopin/1810 - 1849
Titel: Allegro de concert für Klavier in A-Dur op.46
Solist/Solistin: Claudio Arrau /Klavier
Länge: 12:18 min
Label: Testament SBT 1233

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