Maria Lassnig

DPA/OLIVER BERG

Radiokolleg - Positionen in der Kunst

Maria Lassnig, Olafur Eliasson, Station Rose, Heimo Zobernig (1). Gestaltung: Thomas Mießgang, Christine Scheucher

Die Radiokolleg-Langzeitserie Positionen in der Kunst will Kristallisationspunkte in der Entwicklung der Kunst der letzten 50 Jahre aufzeigen: Momente, in denen sich eine neue Dringlichkeit, mediale Sensibilität oder auch politische Durchschlagskraft auf eine Weise manifestierte, die man bis dato so noch nicht gekannt hatte. Eine Kunst, die traditionelle Genres transzendiert und im intermedialen Diskurs neue ästhetische Sprachen zwischen Sinn und Sinnlosigkeit, zwischen Traum und Trauma zur Debatte stellt.

Maria Lassnig: Schmerzfarben und Wärmefarben
In gewisser Weise war Maria Lassnig eine europäische Gegenfigur zu Louise Bourgeois: eine eigenständige, eigenwillige Künstlerin, die auf eine jahrzehntelange Karriere zurückblicken konnte und trotzdem erst jenseits der 60 vollends in ihrer Bedeutung erkannt wurde. Eine schöpferische Kraft, die ihre Außenseiterposition nutzte, um den Fallen der Tagesmoden zu entgehen und in ihrer Verbundenheit mit dem vermeintlich Unzeitgemäßen eine überzeitliche Qualität zu erreichen. Der späte Ruhm kam unverhofft, dafür aber umso überwältigender und umfasste Präsentationen von Lassnigs Werk bei der Biennale in Venedig, im New Yorker MoMa und mehrmals bei der documenta. Die 1919 in Kärnten geborene Künstlerin hatte sich in den 1950er-Jahren bei den Abstrakten angesiedelt, die ästhetischen Möglichkeiten von Écriture automatique, Informel und Tachismus getestet und sich bald auch den sogenannten Motivkosmos der sogenannten "Körperbewusstseinsquaraelle" erschlossen, in denen Angst, Schrecken und Depression mit, wie es die Künstlerin formulierte "Schmerzfarben, Krebsangstfarben, Wärmefarben" thematisiert wurden. 1968 wanderte sie nach New York aus, wo ihre Arbeit von vielen als "strange" und morbid abgelehnt wurde. Sie wusste sich trotzdem zu beschäftigen, besuchte eine Siebdruckklasse in Brooklyn und einen Zeichentrick-Kurs an der School of Visual Arts, der zur Grundlage eines weiteren wichtigen Stranges ihrer Kunst wurde: Der kreativen Arbeit mit Laufbild, Animation und bewusst "dilettantischen" Selbststilisierungen, in denen häufig feminine Selbstermächtigungen durchgespielt werden, die nicht explizit feministisch sein wollen: In der 16-minütigen Arbeit "Iris" tauchen Frauenkörper als vieldeutige erotische Landschaften auf wie die Filmjournalistin Maya McKechney schreibt, "bis sich schließlich zu einem elektronisch schmatzenden Score das weibliche Fleisch verselbstständigt und sich - alle Gendergrenzen ignorierend - in Cronenberg'schen Wucherungen mit sich selbst vereint." Zahlreiche weitere Filme wie "Baroque Statues", ein Rausch von Mehrfachbelichtungen und psychedelischen Farben oder "Shapes", ein zusehends schneller und lustvoller werden der Tanz von menschlichen Figuren zur Musik von Bach, komponiert aus animierten Schablonenspritzbildern bezeugen die kinematographische Experimentierlust der Künstlerin.

Am schönsten aber hat sie das Medium in ihrer zauberhaften Zeichentrick-"Kantate" genutzt: Mit unsicher intonierender und trotzdem selbstbewusster Stimme singt da die damals 78-jährige Künstlerin vor bunt koloriertem Hintergrund: "Das Leben ist ja wirklich nicht zu Ende / ich fahre Schi, Motorrad auf und ab / und jeder Tag bringt eine neue Wende. / Es ist die Kunst, die bringt mich nicht ins Grab."
Gestaltung: Thomas Miessgang

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