Hand hält Bett-Triangel zum Hochziehen

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Medizin und Gesundheit

Pflegenotstand in Österreich

Es ist 5 vor 12

Im vergangenen Wahlkampf haben fast alle Parteien das Thema Pflege für sich entdeckt und mehr oder weniger ausgereifte Konzepte vorgestellt. Immerhin wird endlich von der Politik anerkannt, dass es in diesem wichtigen Gesundheitssegment bald gravierende Probleme geben wird.
Angesichts der steigenden Lebenserwartung wird der Pflegebedarf immer größer. Wie es um die Pflegelandschaft in Österreich bestellt ist, was es für eine gute Versorgung in der Zukunft braucht und was man sich von anderen Ländern abschauen könnte, das diskutiert Markus Hengstschläger mit Expertinnen und Experten aus dem Pflegebereich.

Daten zur Pflege in Österreich

Im Jahr 2017 bezogen in Österreich rund 459.000 Personen Pflegegeld. Diese Menschen werden laut Schätzungen des Hilfswerks zu 18 Prozent in stationären Einrichtungen, also sogenannten Pflegeheimen, betreut und zu 82 Prozent zu Hause. Denn die Pflege zu Hause ist billiger als die Heimpflege und die meisten Menschen möchten lieber in ihrem gewohnten Umfeld bleiben. Den größten Anteil der Pflege- und Betreuungsarbeit leisten dabei Angehörige - ohne sie wäre das Pflegesystem schon zusammengebrochen. Pflegende Angehörige sind vorwiegend weiblich und im Durchschnitt 63 Jahre alt.
Pflegegeldbezieher, die zuhause keine solche Betreuungspersonen haben, werden von sozialen Diensten, Besuchsdiensten und in Tageszentren gepflegt und betreut. Schätzungen zufolge erhalten sieben Prozent der zu Hause lebenden Pflegegeldbezieher eine 24-Stunden-Betreuung. 33 Prozent werden stundenweise von sozialen Diensten, etwa Heimhilfe oder Hauskrankenpflege, betreut und gepflegt.

Fleckerlteppich Versorgungslandschaft

Während das Pflegegeld vom Bund kommt, sind für Heime und für die sozialen Pflegedienste die Länder zuständig. Diese Arbeit leisten hauptsächlich Träger wie das Rote Kreuz, das Hilfswerk, die Volkshilfe, die Caritas und die Diakonie. Die unterschiedlichen Zuständigkeiten machen es schwierig, genaue Daten für den gesamten Pflegebereich zu erfassen.

Kompetenz anerkennen

Ein weiteres Thema ist die Pflege im Krankenhaus. Hier leistet das Pflegepersonal tagtäglich wichtige Arbeit, um die Patienten umfassend zu versorgen. Die professionelle Kompetenz von Pflegenden wird in der öffentlichen Debatte aber unzureichend anerkannt, so die Experten. Häufig steht die Arbeit der Ärzteschaft und deren Bedürfnisse im Vordergrund.

Vorbild Australien

Unser Sendungsgast Dr.in Evelin Burns, MN hat in Österreich, in Irland, in Saudi-Arabien und viele Jahre in Australien im Pflegebereich gearbeitet.
Es gibt doch bemerkenswerte Unterschiede zwischen dem "land down under" und der Alpenrepublik. Die Zusammenarbeit zwischen der Ärzteschaft und dem Pflegesegment erfolgt in Australien auf Augenhöhe - beide Berufsgruppen respektieren die jeweilige akademische Ausbildung. Es gibt zahlreiche Angebote zur Weiterbildung und dies wird von den Arbeitgebern auch unterstützt.
Nach einigen Jahren Praxis können sich die Pflegefachkräfte selbstständig machen.
All das sorgt für eine hohe Jobzufriedenheit und die Verweildauer der akademisch ausgebildeten Pflege-Expertinnen in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist deutlich länger als hierzulande.

Die Zeit drängt

In den nächsten Jahren werden viele diplomierte Krankenpflegerinnen aus den geburtenstarken Jahrgängen in den Ruhestand gehen. Und 15 bis 20 Jahre später selbst Pflegebedarf haben.
Aktuell gibt es in Österreich zu wenig Interessenten für den Pflegeberuf - eine Tatsache, die das drängende Problem des Personalmangels weiter verstärkt.
In Zukunft muss die Arbeit im Pflegebereich deutlich attraktiver gemacht werden. Denn Spitäler und Betreiber von Heimen suchen bereits jetzt dringend nach gut ausgebildeten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen.
In der Sendung wird daher auch diskutiert, was nötig ist, um die Arbeit in der Pflege attraktiver zu gestalten und welche unterschiedlichen Ausbildungswege und Weiterbildungsangebote es gibt.

Verantwortung von Politik und Gesellschaft

Damit hochbetagte Menschen so lange wie möglich selbstbestimmt leben können, fordern die Experten einen Ausbau von individueller Betreuung, Alltagsbegleitung und alternativen Wohnformen.
Was die Zukunft der Pflege betrifft, sehen die Experten aber nicht nur die Politik gefordert, sondern auch die Gesellschaft. Man müsse auf seine Mitmenschen schauen und eine Kultur des Miteinanders etablieren.

Moderation: Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger
Sendungsvorbereitung: Julia Geistberger, MA.
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Pflegesystem gemacht?
Brauchen Sie oder Ihre Angehörigen eine 24 Stunden-Betreuung?
War es für sie leicht, die richtige Betreuungsform für Ihre Angehörigen zu finden?
Betreuen Sie Ihre Angehörigen zuhause?
Arbeiten Sie selbst in der Pflege?

Service

Sendungsgäste im Funkhaus Wien:

Mag.a Monika Wild
Pflegewissenschaftlerin
Leiterin der Gesundheits- und Sozialdienste beim Österreichischen Roten Kreuz
01/58900121
E-Mail
Homepage

Mag. Michael M. Wagner
Akademischer Lehrer für Gesundheits- und Krankenpflege
Wiener Krankenanstaltenverbund
Akademie für Fortbildungen und Sonderausbildungen - Bereich Pflege - am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien
A-1090 Wien, Spitalgasse 23
Tel.: + 43 (1) 40400/71360
E-Mail
Homepage

Evelin Burns, PhD, MN
Pflegewissenschaftlerin
Evelin Burns Nursing KEG
Tel.: +43 650 7283454
E-Mail
Homepage

Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Kostenloses Gespräch für Pflegende Angehörige
+ 43 1 79706 2705

Pflegetelefon des Sozialministeriums
Interessensgemeinschaft Pflegender Angehöriger
Pflegeberatung des Fonds Soziales Wien
Übersicht verschiedener Angebote für pflegende Angehörige in Wien
Pflegeinfo Sozialministerium
Infos für pflegende Angehörige Gesundheitsministerium

Pflegetelefon des Sozialministeriums
+43 1 71100 862286
Homepage

Infobroschüre der Caritas
Pflegeberatung des Hilfswerks
Infos zu Pflegekarenz, Pflegeteilzeit und Pflegekarenzgeld
Infos zur 24-Stunden-Betreuung
Warum sich Investitionen in Pflege lohnen
Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband
Reportage über 24-Stunden-Pflegerinnen

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