Das Ö1 Gesundheitsmagazin

Massgeschneiderte Hüft- und Kniegelenke +++ Gentherapie bei seltener Netzhauterkrankung

1. Künstliche Hüft- und Kniegelenke nach Maß - Wird sich dieser Trend durchsetzen?

Viele Menschen können sich trotz neuer Hüfte oder neuem Knie nicht in vollem Ausmaß bewegen. In 7-10 Prozent dieser Fälle liegt das daran, dass herkömmliche Prothesen spezielle anatomische Gegebenheiten nicht ausreichend rekonstruieren können. Hier ist ein Gelenk nach Maß eine Alternative.
Im 3-D-Drucker hergestellt gleichen sie dem alten Knie oder der eigenen Hüfte wie eine Kopie. Die Passgenauigkeit beträgt ein bis zwei Millimeter.
Wenn das künstliche Gelenk "von der Stange" nicht sehr gut sitzt, kann es zu Bänderüberdehnungen, Muskelzerrungen oder Abrieb kommen. Dies ist bei den Sonderanfertigungen kaum zu befürchten. Selbst die individuelle Beinachse wird bei der Planung im Computer berücksichtigt.
Doch so präzise Maß-Hüfte und -Knie auch sind, große Achsenfehlstellungen und Knochendefekte können auch sie nicht wieder gut machen.
Die individuellen Lösungen bieten aber auch Vorteile für Krankenhäuser, da sich die Operationszeiten verkürzen und durch die kurzfristige Anfertigung teure Lagerkosten entfallen.

Gestaltung: Andreas Maurer

2. Rettung vor dem Erblinden - Erste zugelassene Gentherapie für seltene Netzhauterkrankung

Es gibt 250 genetische Erkrankungen, die die Netzhaut des Auges betreffen. Die meisten von ihnen sind sehr selten. Eine davon trägt den etwas sperrigen Namen Lebersche Kongenitale Amaurose. Bei fünf bis zehn Prozent der daran Erkrankten liegt eine Mutation auf dem Gen RPE 65 vor. Betroffene Kinder werden mit einer sehr schlechten Sehschärfe oder bereits blind geboren. Weitere Symptome sind starke Nachtsehprobleme, Schielen, herabgesetzte Blendungsempfindlichkeit, Weitsichtigkeit sowie Störungen des Farbensehens. In seltenen Fällen wird der Gendefekt erst in späterem Lebensalter manifest. Dann wird diese Erkrankung als Retinitis Pigmentosa bezeichnet. Zu den bereits erwähnten Symptomen kommt noch typischer Weise ein "Tunnelblick" hinzu. Dieser wird durch Einschränkungen des Gesichtsfelds in der Peripherie verursacht. Viele Personen mit Retinitis Pigmentosa erblinden mit etwa 20 Jahren. Der Gendefekt war bisher nicht behandelbar. Nun wurde an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Medizingeschichte geschrieben. Eine 35-jährigen Frau mit einer Retinitis Pigmentosa wurde erstmals im deutschsprachigen Raum mit einer Gentherapie behandelt. Das Medikament mit dem Handelsnamen Luxturna® (Wirkstoff: Voretigen Neparvovec) besteht aus zwei Komponenten: Einer korrekten Kopie des RPE65-Gens und einem Virus, der diese in die Zellen des Pigmentepithels einschleust. Dieser Virus wurde natürlich entschärft, löst also keine Infektion aus. In einer aufwändigen minimalinvasiven Operation wird die Suspension unter die Netzhaut, genau an die Stelle des schärfsten Sehens gespritzt. Durch das Einbringen des Gentherapeutikums können die Zellen des Pigmentepithels wieder das Enzym Retinoid-Isomerohydrolase bilden. Das Sehpigment Rhodopsin kann so wiederhergestellt werden. Luxturna® wurde Ende 2017 in den USA und im November 2018 in Europa zugelassen. Weltweit wurden bisher an die 90 Personen damit behandelt. Prof. Dr. Siegfried Priglinger, Leiter der Uni-Augenklinik München, hat den Eingriff als erster Augenarzt im deutschsprachigen Raum durchgeführt. Nora Kirchschlager hat mit ihm und seiner Frau, Priv.-Doz. Dr. med. Claudia Priglinger ebenfalls Augenärztin und Netzhautexpertin, gesprochen.

Gestaltung: Nora Kirchschlager

Redaktion: Christoph Leprich

Service

1. Maßgefertigte Hüfte:

Interviewpartner:

Prim. Univ.-Doz. Dr. Thomas Müllner
Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Facharzt für Unfallchirurgie
Vorstand der Abteilungen für Orthopädie und Traumatologie am Evangelischen Krankenhaus-Wien
Homepage

Weiterführende Links:

Künstliche Hüftgelenke nach Maß - dank 3D-Planung (Hislanden 2017)
Leben mit Gelenkprothesen (Gesundheitswissen)
Endoprothesen - Medizinische Experten (Leading Medicine Guide)
Knieprothese nach Maß (SRF 2017)
Implantate: Fluch und Segen eines künstlichen Gelenks (Deutschlandfunk 2015)

Bücher:

Michael A. Mittler, "Tipps für Alltag und Sport mit einem künstlichen Gelenk", Books on Demand 2018

Heidi Rauch/Peter Herrchen, "Mut zur neuen Hüfte! - Ein Hüft-OP-Mutmach-Buch mit Erfahrungsberichten von sportlichen Hüft-"Titanen", Edition Rauchzeichen 2018


2. Gentherapie am Auge:

Interviewpartner/innen:

Prof. Dr. med. Siegfried Priglinger
Ludwig-Maximilian-Universität München
Direktor der Augenklinik
Homepage

Priv.-Doz. Dr. med. Claudia Priglinger
Augenärztin und Netzhautexpertin
Ludwig-Maximilian-Universität München
Homepage

Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Ambulanz für erbliche Netzhauterkrankungen - MedUni Wien
Netzhauterkrankungen
Erste zugelassene Gentherapie in der Augenheilkunde am Klinikum der LMU München durchgeführt
LCA (Lebersche Congenitale Amaurose)
Retinitis Pigmentosa
Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie

Sendereihe