Gedanken für den Tag

Julian Pölsler über Marlen Haushofer

"Ein neues Leben in der fremden Welt". Julian Pölsler, Regisseur und Drehbuchautor, greift Aspekte aus dem Film "Die Wand" heraus und stellt seine persönlichen Assoziationen und Gedanken dazu vor

Marlen Haushofer beschreibt den Hund, der für die Frau in der "Wand" bald mehr ist als ihr Hund, nämlich ihr einziger Freund in einer Welt der Mühen und der Einsamkeit:

"Manchmal, wenn ich jetzt allein unterwegs bin im winterlichen Wald, rede ich wie früher zu Luchs. Ich weiß gar nicht, dass ich es tue, bis mich irgendetwas aufschrecken lässt und ich verstumme. Ich wende den Kopf und erhasche den Schimmer eines rotbraunen Felles. Aber der Weg ist leer, kahle Sträucher und nasse Steine. Es wundert mich nicht, dass ich noch immer die dürren Äste hinter mir knistern höre unter dem leichten Tritt seiner Sohlen. Wo anders sollte seine kleine Hundeseele spuken als auf meiner Spur? Es ist ein freundlicher Spuk, und ich fürchte ihn nicht. Luchs, schöner braver Hund, mein Hund, wahrscheinlich macht nur mein armer Kopf das Geräusch deiner Tritte, den Schimmer deines Fells. Solange es mich gibt, wirst du meine Spur verfolgen, hungrig und sehnsüchtig, wie ich selbst hungrig und sehnsüchtig unsichtbare Spuren verfolge. Wir werden beide unser Wild nie stellen."

Ich frage mich, wie es Luchs, dem Filmhund, der nun bei mir, vielmehr mit mir lebt, gelungen ist, mir meine panischen Ängste vor Hunden zu nehmen. Ich bin froh, dass Luchs mir geholfen hat, mich zu verwandeln in einen, der seine Wildheit, die Wildnis, die in ihm liegt, nun lesen kann und verstehen kann. Und ich denke oft darüber nach, wie ich den anderen Menschen dieses Verstehen nahe bringen kann. Marlen Haushofer hat es zu formulieren gewusst, als sie in der "Wand" schrieb: "In jenem Sommer vergaß ich ganz, dass Luchs ein Hund war und ich ein Mensch. Ich wusste es, aber es hatte jede trennende Bedeutung verloren. Jetzt endlich herrschte zwischen uns ein stillschweigendes Verstehen."

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach/1685 - 1750
Album: BACH: SONATEN U.PARTITEN FÜR VIOLINE SOLO BWV 1001-1006 - J.Fischer
* Allemanda - 1.Satz (00:04:40)
Titel: Partita für Violine Nr.2 in d-Moll BWV 1004
Solist/Solistin: Julia Fischer /Violine < Jean Baptiste Guadagnini, 1750 >
Ausführender/Ausführende: Julia FISCHER/geb.1983 München
Länge: 04:40 min
Label: PentaTone classics 5186072 (2

weiteren Inhalt einblenden