Buch des Monats

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Radiogeschichten - Neue Literatur aus Österreich

Ohne Schmerz kein Herz

"Herzklappen von Johnson & Johnson". Von Valerie Fritsch. Es liest Ninja Reichert.

Wie wird ein Kind zum Menschen, zu einem mitfühlenden sozialen Wesen, wenn es die Verwundbarkeit nicht kennt? Kann doch Alma und Friedrichs Kind keinen Schmerz empfinden. In ständiger Sorge um ihren Jungen, ist es vor allem Alma, die ihn unaufhörlich auf körperliche Unversehrtheit kontrolliert.

Halt findet Alma bei ihrer Großmutter, die jetzt, hochbetagt und bettlägerig, zu erzählen beginnt: vom Aufwachsen im Krieg, von Flucht, Hunger und der Kriegsgefangenschaft des Großvaters. Mit dem Kind auf dem Schoß, das keinen Schmerz kennt, sitzt Alma am Bett der Schwerkranken, die sich nichts mehr wünscht, als ihren Schmerz zu überwinden.

In den so lange verschwiegenen Geschichten der Großmutter findet die junge Frau eine Erklärung für ihre scheinbar grundlosen Gefühle der Schuld, Ohnmacht und Verlorenheit. "Stets fühlte sie sich um etwas betrogen, von dem sie nicht recht wusste, was es war - als prallte sie ab an der Wirklichkeit".

Familiengeheimnisse und die unsichtbaren Fäden der Verstrickung greift Valerie Fritsch in ihrem zweiten Roman auf, fragt nach dem Wesen des Mitgefühls, das unser aller Leben bestimmt.

Valerie Fritsch, geboren 1989 in Graz, ist Schriftstellerin, Polaroidfotografin und Reisende. Für die Recherche ihres neuen Romans tourte sie 16.000 Kilometer mit dem Auto von Graz nach Kasachstan. Mit ihrem Debüt "Winters Garten" war sie 2015 auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis und erhielt im selben Jahr neben zwei Auszeichnungen beim Ingeborg-Bachmann-Wettlesen auch den Peter Rosegger Literaturpreis des Landes Steiermark.

Gestaltung: Ilse Amenitsch

Service

Valerie Fritsch, "Herzklappen von Johnson & Johnson", Suhrkamp Verlag, 2020

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