Praxis - Religion und Gesellschaft

Tabuthemen in Ungarn

Ungarn: Maulkorb für Kritiker +++ Tschechien: Theologe Halik warnt vor Allianz von Kirche und populistischer Politik +++ Corona in Indien, Afrika und Lateinamerika +++ Hoffnungszeichen: Der liebe Augustin reloaded

1. Ungarn: Maulkorb für Kritiker

Der rechtspopulistische ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat sich vom Parlament mit umfassenden Sondervollmachten zur "Bewältigung der Coronavirus-Pandemie" ausstatten lassen. So kann er ohne zeitliche Befristung und gegebenenfalls ohne parlamentarische Kontrolle auf dem Verordnungsweg regieren. Das Notstandsgesetz hatte im In- und Ausland Kritik und Besorgnis ausgelöst. Es sieht auch vor, dass die "Verbreitung von Falschnachrichten" streng bestraft wird, sodass Journalistinnen und Journalisten um kritische Berichterstattung fürchten.
Doch schon bisher hatten es kritische Stimmen in Ungarn nicht leicht - in der Politik ebenso wie in der katholischen Kirche. Etwa wenn es um das Thema Missbrauch geht. Während nahezu weltweit Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche aufgearbeitet werden, hieß es im Osten Europas, etwa in Ungarn, lange Zeit, es gebe nur wenige Fälle, denn sexualisierte Gewalt sei ein Problem der liberalen Demokratien im Westen, das unter anderem auf die 68-er Bewegung zurückgehe. Ähnlich hat ja schon wiederholt der emeritierte Papst Benedikt XVI., Kardinal Josef Ratzinger, argumentiert. An dieser Meinung halte die ungarische Bischofskonferenz bis heute fest, meint die katholische Theologin Rita Perintfalvi, die nun in Eigeninitiative nach Missbrauchsopfern in Ungarn sucht. - Gestaltung: Judith Fürst


2. Tschechien: Theologe Halik warnt vor Allianz von Kirche und populistischer Politik

Der Prager Theologieprofessor, Priester und Bestseller-Autor Tomas Halik beschäftigt sich schon lange mit der Frage, wie Kirche aussehen sollte; in Tschechien gilt er als Vorkämpfer des intellektuellen Flügels der Katholiken. Die aufgrund der Corona-Pandemie leeren Kirchen, sagt er, seien eine Art Zeitmaschine und gewährten einen Einblick, wie Kirche schon bald aussehen könnte: "In großen Teilen der Welt haben sich die Kirchen über die vergangenen Jahre hinweg geleert, die Priesterseminare, die Klöster. Wir sind dem hier in Tschechien mit der Einfuhr von Priestern aus Polen und anderen Ländern begegnet, aber das ist überhaupt keine Lösung." Welche Veränderungen notwendig seien, davon hat Tomas Halik eine klare Vorstellung: Die Priesterweihe für verheiratete Männer und mehr Aufgaben und Ämter für Frauen gehören dazu. Und der Theologe warnt davor, in Mitteleuropa eine Allianz aus Kirche und populistischer Politik zu schmieden, wie sie in Polen und eben in Ungarn schon zu sehen sei. - Gestaltung: Kilian Kirchgessner


3. Corona in Indien, Afrika und Lateinamerika

"Afrika muss aufwachen" und "sich auf das Schlimmste vorbereiten", warnte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus vor wenigen Tagen. Das Coronavirus breitet sich weiter auf der ganzen Welt aus: eine globale Pandemie. Indien hat eine strenge Ausgangssperre verhängt. Doch wie funktioniert "Social Distancing" in einem Land mit 1,3 Milliarden Menschen? Eine Folge der Krise könnte - in Indien wie auch in anderen "Ländern des Südens" - eine Hungerkatastrophe sein. Und das Virus ist auch Nährboden und Verstärker alter Vorurteile - religiöser ebenso wie nationalistischer.
Die Angst vor einer Eskalation steigt aber auch insbesondere in Afrika. Niemand weiß, wie stark sich das Coronavirus dort ausbreiten wird. Doch die Folgen wären unabsehbar - ebenso wie in Lateinamerika, wo in den Megametropolen Menschen unter prekären Verhältnissen auf engstem Raum leben und soziale Unruhen drohen. Maria Harmer hat mit Vertretern kirchlicher NGOs über die Situation in Afrika, Lateinamerika und Indien gesprochen.


4. Hoffnungszeichen: Der liebe Augustin Reloaded

Vor wenigen Wochen sind die Balkonkonzerte der Italienerinnen und Italiener in der Quarantäne viral gegangen und so mancher Künstler, manche Künstlerin hat sich auch in Österreich angeschlossen. Pars pro toto hat Judith Fürst mit dem Musiker und Dudelsacklehrer Albin Paulus gesprochen, der sich eine Überlebensstrategie für die Corona-Krise zurechtgelegt hat: Unter dem Motto "Augustin Reloaded" lässt er den lieben Augustin täglich mit einer neuen Variation gewissermaßen wiederauferstehen und stellt ein kurzes Video auf seine Website. Auf diese Weise will er den Menschen Mut machen und sie zum Durchhalten animieren.

Moderation: Alexandra Mantler

Service

Ökumenischer Verband Ungarischer Theologinnen
Universität Graz: Rita Perintfalvi
Tomas Halik
Dreikönigsaktion
Katholische Frauenbewegung Österreichs
Caritas Vorarlberg: Auslandshilfe
Augustin Reloaded

Sendereihe

Gestaltung

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