Michael Chalupka

Michael Chalupka - APA/ROLAND SCHLAGER

Gedanken für den Tag

Michael Chalupka über Lügengeschichten

"Der Ritt auf der Kanonenkugel" - Ist die Lüge amüsanter als die Wahrheit
von Michael Chalupka, Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich

Baron Münchhausen, dessen 300. Geburtstag wir in dieser Woche begangen haben, ist auch in die Filmgeschichte eingegangen. Während sich so mancher an die letzte große Hollywoodverfilmung erinnert, bei der Uma Thurman als Venus einer Muschel entsteigt, schwärmte meine Oma von Hans Albers mit seinen blauen Augen, dem Münchhausen der Verfilmung von 1943.

Es war ein Propagandafilm, in Auftrag gegeben von Joseph Goebbels. Überraschend ist der Verfasser des Drehbuchs: Erich Kästner. Obwohl seine Bücher verbrannt und er mit Publikationsverbot belegt worden war, schrieb er es unter dem Pseudonym Berthold Bürger. Goebbels schien die Qualität der Dialoge wichtiger als die ideologische Reinheit. Und Kästner musste von etwas leben.

Es bleibt umstritten, ob Kästner subversive Dialoge in das Skript geschmuggelt hat. Etwa, wenn Münchhausen zu seinem Diener, der meinte "Entweder ist Ihre Uhr kaputt, Herr Baron, oder die Zeit selber" sagt: "Die Zeit ist kaputt, Christian". Oder der Satz: "Seien Sie trotzdem vorsichtig. Die Staatsinquisition hat zehntausend Augen und Arme; und sie hat die Macht, Recht und Unrecht zu tun - ganz wie es ihr beliebt."

Seinen Freunden erklärte Kästner: "Der Filmauftrag kommt vom größten Lügner der Welt. Weshalb machen wir also nicht einen Film über den Lügner, der ihm am nächsten kommt, Baron Münchhausen?"

Doch Erich Kästner macht auch den Unterschied zwischen Münchhausen und Goebbels deutlich, wenn er Münchhausen mit seinem bösen Gegenspieler reden lässt. Als der meint: "Zuerst holen wir uns Kurland, dann pflücken wir Polen", antwortet Münchhausen: "In einem werden wir uns nie verstehen, in der Hauptsache. Sie wollen herrschen, ich will leben. Abenteuer, fremde Länder, schöne Frauen, ich brauche das, Sie missbrauchen das."

So kann man auch den Unterschied zwischen einem Geschichtenerzähler wie Münchhausen und den heutigen Fake News-Produzenten beschreiben: Er brauchte die Fantasie, sie missbrauchen sie.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Philipp Telemann/1681 - 1767
Album: TELEMANN: CONCERTI PER OBOE
* Adagio - 1.Satz (00:02:30)
Titel: Konzert für Oboe, Streicher und B.c. in d-moll
Oboenkonzert
Solist/Solistin: Heinz Holliger /Oboe
Ausführende: Academy of St.Martin in the Fields
Leitung: Iona Brown
Ausführender/Ausführende: Iona BROWN/7.1.1941 Salisbury
Länge: 02:30 min
Label: Philips 4128792

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