Medizin und Gesundheit

COVID-19 - Was Ärzte aus den vergangenen Monaten gelernt haben

Das Infektionsgeschehen mit dem neuartigen Coronavirus hat sich wesentlich positiver entwickelt als gedacht. "Aktuell ist das Infektionsrisiko wesentlich geringer als die Angst der Menschen - die ist geblieben - und auch als die sozialen Probleme nehmen ständig zu", sagt Dr. Martin Sprenger, "Public Health"-Experte und bis Anfang April Berater in der Corona-Taskforce der Bundesregierung. Er hofft, dass mit dem Rückgang der Infektionen auch wieder ein sachlicher Zugang in der Diskussion darüber gefunden werden kann. Seine Forderung: "Wir müssen wieder professionell werden." Damit meint er auch die Ärzte, in ihrer Profi-Rolle als Risikobewerter und -erklärer. Eine Rolle, die bei OP-Aufklärungen oder Diagnose-Mitteilungen täglich trainiert wird.

Angst ist kein gutes Führungsinstrument

Das Problem: Auch Ärzte gerieten angesichts der immer gleichen, medial verbreiteten Bilder aus einer Region in Italien in eine Art "Schockstarre". Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, Intensivmediziner am Klinikum Klagenfurt, fand durch den Kontakt zu einem Kollegen in Südtirol zu einem klareren Bild und kam wieder ins Tun. Er vernetzte sich nicht nur mit weiteren Kollegen in Österreich, sondern organisierte auch ein Treffen aller Intensivmediziner in Kärnten, um ein akkordiertes Vorgehen einzuleiten, dessen Koordinator er schließlich wurde. "Die Angst, die durch die Kriegsrhetorik erzeugt wurde, hat auch vor den Ärzten nicht mehr Halt gemacht. Diskussionen verliefen nicht mehr rational", sagt er. Ein großes Learning von ihm aus den vergangenen Wochen ist: "Professionisten darf man nicht durch Angst führen!"

Der COVID-Patient als VIP

Ein anderes: "Man darf nicht eine Patientengruppe zu VIPs machen." In den letzten Wochen wurden Menschen mit chronischen Erkrankungen unterversorgt. Auch akut Erkrankte trauten sich aus Angst vor einer Ansteckung nicht ins Krankenhaus, suchten zu spät stationäre Hilfe. Angst- und Schlafstörungen sind in der Bevölkerung stark angestiegen.

Der Sommer: Zeit zur Aufarbeitung

Der Sommer wird Beruhigung bringen, so die Hoffnung der beiden Experten - die an unterschiedlichen Stellen, aber jeweils im Zentrum des Geschehens standen. Beide plädieren dafür, dass man die Probleme der letzten Wochen analysiert und Lehren für die Zukunft daraus zieht. Als Denkanstoß für die notwendigen Änderungen haben beide, jeweils mit weiteren Kollegen bzw. Experten Bücher verfasst: "Bereit für das nächste Mal. Wie wir unser Gesundheitssystem ändern müssen" und "Wir denken Gesundheit neu. Corona als Chance für eine Zeitenwende im Gesundheitswesen."

Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos hat beide Ärzte eingeladen, um mit ihnen die wichtigsten Erkenntnisse der vergangenen Monate für unser Gesundheitssystem zu diskutieren.

Moderation: Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos
Sendungsvorbereitung: Dr.in Birgit Beermann
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Waren Sie gesundheitlich gut versorgt in den vergangenen zwei Monaten?

Wurde eine Operation oder Behandlung bei Ihnen aufgrund der Corona-Krise nicht durchgeführt?

Leiden Sie aktuell an Ängsten oder Schlafstörungen?

Halten Sie die Mund-Nasen-Schutzmasken noch für angebracht?

Wie sollten wir Ihrer Meinung nach bei einem neuerlichen Auftreten von Corona-Infektionen reagieren?

Service

Gäste am Telefon:

Dr. Martin Sprenger
Leiter des Universitätslehrgangs Public Health an der MedUni Graz und ehemaliges Mitglied des Expertenteams in der Corona-Taskforce
Universitätsstraße 6/I
8010 Graz
Tel.: 0316-385-71586
E-Mail
Homepage

Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, MSc
Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie, allgemeine Intensivmedizin, Notfallmedizin, interdisziplinäre Schmerztherapie und Palliativmedizin am Landesklinikum Klagenfurt und während der Corona-Krise Koordinator des Intensivbereichs in Kärnten
Feschnigstraße 11
9020 Klagenfurt am Wörthersee
T +43 463 538-0
E-Mail
Homepage

Info-Links und Buchtipps:

Buch Likar/Pinter/Janig: Bereit für das nächste Mal. Wie wir unser Gesundheitssystem ändern müssen"
Buch Sprenger/Rümmele (Hg): "Wir denken Gesundheit neu. Corona als Chance für eine Zeitenwende im Gesundheitswesen."
Interviews und Briefe von Dr. Martin Sprenger auf der Recherche-Plattform Addendum
Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz: Richtlinien für gute Gesundheitsinformationen
Zuwachs an positiv getesteten Personen in Österreich
EuroMomo in Woche 18: Nur noch wenige Länder mit Übersterblichkeit
Die Corona-Ampel des Complexity Science Hub Vienna (CSH)
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