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Radiogeschichten
100 Jahre Salzburger Festspiele
"Minetti" von Thomas Bernhard (Ausschnitt). Es liest Ignaz Kirchner.
16. Juli 2020, 11:05
"In einem fürchterlichen Augenblick habe ich mir die Maske aufgesetzt. Lebenslänglich. Die Gesellschaft ist erschrocken. Ich selbst bin lebenslänglich erschrocken." Mit diesen Sätzen steigt der Zuhörer in den Schauspieler-Monolog von Thomas Bernhards Stück "Minetti" ein, den Ignaz Kirchner im Rahmen der Bernhard-Tage Ohlsdorf und der Festwochen Gmunden 2001 unter freiem Himmel gelesen hat. Ein Ausschnitt daraus ist zu hören.
Das Stück "Minetti", wie sein Geschwisterstück "Die Berühmten" 1976 uraufgeführt, handelt von einem einsamen alten Schauspieler, der vergeblich nach Oostende gekommen ist, um dort mit dem Schauspieldirektor von Flensburg sein Comeback als Lear, jene Rolle, die ihn einst berühmt gemacht hat, zu fixieren. Als der Intendant nicht erscheint, begeht der gescheiterte Theaterkünstler in der eiskalten Silvesternacht Selbstmord.
"Die verschiedenen Bezugsebenen sind so geschickt ineinander verstrickt, dass oft nicht mehr unterschieden werden kann, was biografische Anspielung, poetologische Reflexion, intertextuelle Bezugnahme oder Autorenwort ist. Thomas Bernhard widmet dem Schauspieler Minetti ein Stück, das nach diesem benannt ist und in dem dieser sich selbst spielt. Trotzdem ertönt ein typisch Bernhardscher Monolog, der wiederum als das Shakespeare-Palimpsest des "King Lear" zu erkennen ist, durch das Minetti versucht, seine Identität zu begründen. Zudem bildet die Struktur einer realen Biografie den Hintergrund für dieses Stück: das Leben des Schauspielers Werner Krauß." (Manfred Mittermayer und Uwe Betz)
Gestaltung: Alfred Pittertschatscher. Präsentation: Gudrun Hamböck
Service
Thomas Bernhard, Stücke 2. Der Präsident. Die Berühmten, Minetti. Immanuel Kant. Suhrkamp Verlag