Radiokolleg - Kritische Liedermacher/innen im Wien der '70er- und '80er-Jahre

20. August 2020, 09:45

Wer von den kritischen Liedermacher/innen im Wien der 1970er und 1980erJahre erzählt, muss mit den kritischen Liedermachern beginnen. Frauen waren in Österreich bis zur Familienrechtsreform 1975 von Männern abhängig. Entsprechend zurückhaltend waren Liedermacherinnen mit eigenen Texten oder Soloprogrammen. Freilich gab es Ausnahmen, wie Cilli Miculik, die als einzige Frau auf der 1977 erschienen Anti-Atomkraftwerksplatte "Absolutes Denkverbot - Abgelehnt" vertreten war. Ein Jahr davor erschien ihre Soloplatte "I Waaß Net ..." auf der sie "frech" gegen Gott, die Welt, Gesellschaft und Männer agitierte.

Allgemein ist die Frage, wer in den 1970er- und 1980er-Jahren zu den Liedermacherinnen gezählt hat, aber nur schwer zu beantworten. Die Künstlerinnen, die wir aus heutiger Sicht so nennen, sehen sich selbst nicht so. Das wäre im Vergleich zu großen Kolleginnen vermessen, sagt die Schauspielerin, Sängerin und Theatermacherin Margot Hruby. Sie begann ihre Musik- und Text-Laufbahn Ende der '70er-Jahre mit Songs von Joan Baez, als die Zurückhaltung der Liedermacherinnen durchlässig wurde. Viele erinnern sich aus der Zeit z.B. an Linde Prelog.

Längst Schauspielerin, trat Linde Prelog 1980 mit ihrer LP "Umständ Zuaständ Aufständ" als Liedermacherin in Erscheinung. Sie stand auf Kabarettbühnen, schrieb eigene Texte und Soloprogramme. Die Autorin und Schauspielerin Eva Ditè trat schon davor auf, unter anderem mit dem kritischen Liedermacher Erich Demmer im Kabarett Keif. Spätestens ab den '80ern war auch sie solo unterwegs. In ihren Texten brachte sie ohne großes Aufheben, wie sie sagt, das zu Papier, was sie bewegte. In der Frauenbewegung engagiert geht es ihr um Frauenrechte, wenn sie beispielsweise titelt "I wär´ so gern a Mensch".

Hervorgegangen aus der männerdominierten 68er-Bewegung, orientierten sich die kritischen Liedermacher im Wien an deutsche Vorbilder wie Franz Josef Degenhardt oder den US-amerikanischen Singer-Songwriter Woody Guthrie. Die Bezeichnung Liedermacher hat der ostdeutsche Liedermacher Wolf Biermann von Bert Brecht entlehnt, der sich als Theatermacher bezeichnete. In Wien wollte man mit dem Zusatz "kritische" dem Austropop etwas entgegensetzen. Das zu Kritisierende reichte von "A" wie Anti-Kapitalismus bis "Z" wie Zwentendorf. Beim Frauenthema Fristenlösung standen die kritischen Liedermacherinnen und Liedermacher Seite an Seite, wie auch gegen Unterdrückung, Imperialismus und Faschismus.

Mitte der 1980er-Jahre war die Ära der in die Jahre gekommen kritischen Liedermacher vorbei. Das liegt teils an den erreichten Zielen, andere blieben unerreichbar und dass der Geist der 68er verflogen war, sagt Kulturwissenschafter Philipp Maurer. Die Liedermacherinnen sind hingegen durchwegs auch Schauspielerinnen und blieben aktiv. So stehen manche von ihnen bis heute mit ihren kritischen Liedern auf der Bühne. Das "Labor Alltagskultur" wird im kommenden Jahr die Arbeit der Liedermacherinnen aufarbeiten und dokumentieren.

Service

Zündende Funken: Wiener Feministinnen der 70er Jahre
von Ruth Aspöck (Herausgeber), Eva Dité (Herausgeber), Erna Dittelbacher (Herausgeber), & 5 mehr
Verlag: Löcker Verlag; Auflage: 1 (30. März 2018)
ISBN-10: 3854099053
ISBN-13: 978-3854099055

gelinde gesagt: Balladeske Märchen und andere Gereimtheiten
von Linde Prelog
Herausgeber: Der Koenig
EAN / ISBN-13: 9783902098061

Danke, man lebt. Kritische Lieder aus Wien 1968-1983
Von Philipp Maurer
ISBN 10: 3215060825
ISBN 13: 9783215060823

Unsere wilden Jahre: Die Siebziger in Österreich
von: Georg Friesenbichler
Herausgeber: Böhlau
EAN / ISBN: 9783205781516


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