Charlie Parker

AP/JEAN-JACQUES LEVY

Radiokolleg - Der Vogel fliegt noch immer

Zum 100. Geburtstag des Jazz-Saxofonisten Charlie "Bird" Parker (1). Gestaltung: Thomas Mießgang

Er war der Größte: Was die Musik betrifft, sowieso. Ein Klangrevolutionär, der gemeinsam mit seinem siamesischen Zwilling, dem Trompeter John Birks "Dizzy" Gillespie den komplizierten, kantigen Bebop erfand. Ein Saxofonspieler, der seinem Horn Töne entlocken konnte, die sich wie in einem Bewusstseinsstrom zu einem endlos geflochtenen Band aus ideenreichen, lebhaften und virtuosen Melodien verdichteten. Sein Spitzname "Bird" hatte auch damit zu tun, dass er wie ein Vogel über den Harmonien fliegen konnte - seine Ideen setzte er oft so schnell um, dass man als Zuhörer eine Platte dreimal hintereinander hören muss, um wenigstens ansatzweise zu verstehen, was da vor sich geht.

Er war aber der Größte auch in anderen, weniger gesunden Belangen: Schon im Alter von 15 Jahren entwickelte er eine Heroinabhängigkeit, die, nebst anderen toxischen Substanzen, zu seinem frühen Tod im Alter von 35 Jahren führte. Damit verbunden erlitt er oft Nervenzusammenbrüche, wurde mehrfach in die Nervenheilanstalt Camarillo eingeliefert - daran erinnert auch seine Komposition "Relaxin´ at Camarillo - unternahm Selbstmordversuche und starb schließlich an körperlicher Auszehrung durch eine Leberzirrhose, Magengeschwüre und eine Lungenentzündung.

Auch sonst war das Privatleben reichlich zerklüftet: In seinem kurzen Leben brachte er drei Ehen und eine mehrjährige Beziehung unter, aus der zwei Kinder hervorgingen.

Charlie Parker: Das ist Glanz und Elend eines außergewöhnlichen Musikerlebens in höchster Verdichtung und deshalb besonders mythenträchtig. Neben Louis Armstrong, Duke Ellington und Miles Davis zählt der Saxofonist aus Kansas City sicher zu den legendärsten Namen des Jazz'. Das hat auch damit zu tun, dass er, nach der Dominanz des Tenorsaxofons durch virile Improvisationsgiganten wie Coleman Hawkins und Ben Webster dem schlankeren, flexibleren Alt zum Durchbruch in der erste Reihe der Jazzinstrumente verhalf.

Gemessen an der Überdimensionalität des Parker-Mythos, der auch in einem Biopic von Clint Eastwood ausgiebig zelebriert wurde, liefert das musikalische Erbe auf Schallplatten nur ein Zerrbild seiner Genialität: Vieles ist nur in schauerlicher Tonqualität überliefert und Platten wie "Charlie Parker with Strings" galten Kritikern als kitschiger Versuch, den Jazz auf die Ebene der Kunstmusik zu heben.

Aber vielleicht ist es gerade diese Zerrissenheit des Werkes, die eine komplexe, widersprüchliche Persönlichkeit widerspiegelt, die ihr ganzes Leben an der Kante zum Abgrund verbrachte. Dass er irgendwann abrutschte und in den Abyssos stürzte, war vorherzusehen. Doch seine schon damals substantielle Fangemeinde wollte es nicht wahrhaben. Verbürgt ist, dass nach seinem Tod an vielen Stellen in New York, an Häuserwänden, in der U-Bahn, Grafitti davon kündeten, dass Charlie "Bird" Parker lebt. Deshalb konnte man nach seinem Tod an vielen Stellen in New York, an Häuserwänden, in der U-Bahn, Grafitti sehen, die verkündeten: "Bird lives!"

Service

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Sendereihe

Gestaltung

  • Thomas Mießgang

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Davis Ramirez
Titel: Lover Man
I: Charlie Parker
Label: Verve Records MGV-8000

Komponist/Komponistin: Charlie Parker
Titel: Ko Ko
I: Charlie Parker
Label: Atlantic 92911-2

Komponist/Komponistin: Charlie Parker
Titel: Ornithology
I: Charlie Parker
Label: Archive of Folk Music FS-214

Komponist/Komponistin: Charlie Parker
Titel: Scrapple from the Apple
I: Charlie Parker
Label: Atlantic 92911-2

Komponist/Komponistin: Davis
Titel: Moten Swing
I: James Carter
Label: Verve Records 529 554-2

Komponist/Komponistin: Razaf Waller
Titel: Honeysuckle Rose
I: Jay McShann Orchestra
Label: Spotlite Records SPJ120

Komponist/Komponistin: Charlie Parker
Titel: Yardbird Suite
I: Charlie Parker
Label: Atlantic 92911-2

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