DPA/HEIKO BERNER
Radiokolleg - Singen mit ideologischem Grundton
Das Volkslied und seine politische Instrumentalisierung (2). Gestaltung: Sabrina Adlbrecht
29. September 2020, 09:45
Volksmusik und insbesondere Volkslieder sind für viele Menschen lebendiger Ausdruck von Identität, Unverwechselbarkeit und Zusammengehörigkeit - Schlagwörter, die in Zeiten von Globalisierung und bröckelnder gesellschaftlicher Solidarität offenbar immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dafür sprechen auch die in den vergangenen Jahren gestiegenen Verkaufszahlen von Tonträgern aus diesem Genre. Heimat, Liebe, Abschied, Verlust - in Volksliedern werden immer gültige Themen verhandelt, verpackt in eingängige Melodien; vielleicht ist es aber auch die Sehnsucht nach dem vermeintlich Ursprünglichen und Natürlichen, das für manche deren besonderen Reiz ausmacht.
Allerdings war dieses vermeintlich "Ursprüngliche" und "Natürliche" schon im späten 18. Jahrhundert, als der Begriff "Volkslied" zum ersten Mal aufkam, etwas höchst Künstliches - ein ästhetisches Konstrukt, entworfen von Gebildeten, die an der Schwelle zur Industrialisierung sehnsuchtsvoll auf eine "gute alte Zeit", auf ein ländliches Idyll zurückblickten. Die romantischen Volkslieder sollten weder frivol, noch städtisch und erst recht nicht politisch sein - doch das änderte sich bald. So spielten Volkslieder zum Beispiel schon im Vormärz für die nationale Identitätsbildung eine große Rolle. Der zunehmende Nationalismus im 19. Jahrhundert beförderte auch das Anlegen umfangreicher Volkslied-Sammlungen. In Österreich führte diese Sammeltätigkeit 1904 zur Gründung des so genannten "Volksliedunternehmens", das eine repräsentative Ausgabe des Liedgutes in Österreich und den damaligen Kronländern erstellen sollte. Es ging darum, regionale Eigenheiten zu fördern, gleichzeitig aber auch dem Vielvölkerstaat zu einem übergeordneten Nationalgefühl zu verhelfen.
Das intensive Sammeln von Volksliedern hielt bis Ende der 1920er Jahre an. Im Jahrzehnt darauf wandelte sich das Interesse - nun stand die Pflege der gesammelten Lieder im Vordergrund, öffentliche Chorauftritte, "Volkslieder-Wettsingen" u. ä. Veranstaltungen boomten. Diese Praxis wurde von den Nationalsozialisten teils direkt übernommen und das "Volkslied" im Sinne ihrer Ideologie instrumentalisiert; und manchmal, so konstatieren Volksliedforscher/innen, wurden Weichen gestellt, die das NS-Regime überdauern sollten: geistig, sprachlich und institutionell ebenso wie in der praktischen "Pflege".
1956 schrieb Theodor W. Adorno, das gemeinsame Singen, besonders von Volksliedern, erinnere ihn an faschistische Massenveranstaltungen. Dass dies "not sei", stehe nirgends geschrieben. Allerdings fügte Adorno noch hinzu: "Zu fragen ist, was gesungen wird, wie und in welchem Ambiente" - und diese Fragen zu stellen, ist nach wie vor aktuell.
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Volkslied
Bearbeiter/Bearbeiterin: Hans Walter
Titel: Im Frühtau zu Berge / Volkslied
Chor: Gesangverein der Harmonie Götzis
Leitung: Hans Walter
Länge: 01:23 min
Label: Unbekannt
Komponist/Komponistin: Heinz Höhne
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Rudolf Baumbach
Bearbeiter/Bearbeiterin: Hans Bauernfeind
Titel: Hoch auf dem gelben Wagen
Chor: Chorvereinigung Einigkeit St.Valentin /Gesang (a-cappella)
Leitung: Raimund Tötzl
Länge: 02:05 min
Label: SERVER, EP VK, keine Angaben
Urheber/Urheberin: Dietrich Schüller (Herausgeber)
Leo Hajek (Aufnahme)
Titel: Nastala nam ... (Ph 2526) - aufgenommen am 9.2.1916 in Eger, Ungarn
Gesamttitel: Soldatenlieder der k. u. k. Armee
Gesamttitel: Tondokumente aus dem Programmarchiv der österr. Akademie der Wissenschaften
Ausführende: Chor des I. R. No. 21 (einjährig Freiwillige)
Länge: 01:28 min
Label: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Urheber/Urheberin: Dietrich Schüller (Herausgeber)
Leo Hajek (Aufnahme)
Titel: Brüder, zählet auf uns´re Feind (Ph 2518)
Gesamttitel: Soldatenlieder der k. u. k. Armee
Gesamttitel: Tondokumente aus dem Programmarchiv der österr. Akademie der Wissenschaften
Ausführender/Ausführende: Josef Bergauer
Länge: 01:06 min
Label: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Urheber/Urheberin: Dietrich Schüller (Herausgeber)
Leo Hajek (Aufnahme)
Titel: V sirom poli strom zelený (Ph 2529) - aufg. 16.2.1916 in Szaszvaros, Ungarn
Gesamttitel: Soldatenlieder der k. u. k. Armee
Gesamttitel: Tondokumente aus dem Programmarchiv der österr. Akademie der Wissenschaften
Ausführender/Ausführende: Emmerich Szabadffy
Länge: 01:44 min
Label: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Komponist/Komponistin: Volksweise
Album: LIEDER
Titel: Kein schöner Land
Solist/Solistin: Andreas Obieglo /Klavier
Länge: 01:25 min
Label: Carolin NO2010