Hand

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Ingrid Pfeiffer über Hände

"Die Botschaften der Hände" von Ingrid Pfeiffer, Autorin und Germanistin

Der Künstler "liebkost die Rinde aller Dinge", schreibt der französische Kunsthistoriker Henri Focillon in seinem Büchlein "Lob der Hand". Dieser Satz berührt mich sehr, weil er das zarte, tastende Erkennen der rauen Oberfläche fühlbar macht. Focillon bezeichnet die Hände, die Kunst schaffen, als Werkzeuge der Schöpfung und als Organe der Erkenntnis. Er spricht hier von der bildenden Kunst. Ich erweitere seinen Gedanken aber gern auf andere Künste und habe für meine Überlegungen Kunstwerke gewählt, die Hände nicht nur vollbracht, sondern sie auch zum Thema haben.

Zuerst ein Bild: Jan van Eycks "Arnolfini Hochzeit" von 1434. Das Gemälde zeigt das aufrechtstehende Brautpaar in prächtigen Gewändern im Mittelgrund eines eher düsteren Raumes. Fast exakt in seinem Zentrum liegt die zarte rechte Hand der Frau in der linken des Mannes. Doch nicht, als würde sie sich an den Händen halten. In der geöffneten Schale der seinen ruht, ebenfalls nach oben offen, die ihre. So halten sie einander und zeigen sich doch für Kommendes bereit.

Dann ein Stück Literatur: Thomas Mann, dieser detailreiche Beschreiber all seiner Figuren, lässt Hans Castorp im "Zauberberg" seine erste Begegnung mit Clawdia Chauchat folgendermaßen erfassen: "Er hatte viel Sinn und kritische Aufmerksamkeit für Hände und war gewohnt, auf diesen Körperteil zuerst sein Augenmerk zu richten. Diese Hand war nicht sonderlich damenhaft, nicht so gepflegt und veredelt, wie Frauenhände in des jungen Hans Castorp gesellschaftlicher Sphäre zu sein pflegten." Dieser kurze Abschnitt genügt, um zu zeigen, was diese Hand über ihre Trägerin und ihre Beschreibung über den Betrachter verrät.

Zuletzt der Tanz: Was im Kontakt der Füße mit dem Boden beginnt, geht durch jede Faser des Körpers bis in die Fingerspitzen. In den Händen der Tanzenden geht jede Bewegung bis zum Äußersten. Nur im Tanz sind die Hände beides zugleich: Darsteller und Dargestelltes. Dann heben die Zuschauenden ihre Hände zum Applaus.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Philip Glass/geb.1937
Komponist/Komponistin: Paul Simon
Album: THE ESSENTIAL PHILIP GLASS
Titel: Changing opinion
Solist/Solistin: Bernard Fowler /Gesang m.Begl.
Solist/Solistin: Michael Riesman /Piano
Solist/Solistin: Paul Dunkel /Flöte
Länge: 10:38 min
Label: Sony SK 64133

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