Hand

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Ingrid Pfeiffer über Hände

"Die Botschaften der Hände" von Ingrid Pfeiffer, Autorin und Germanistin

Denke ich an Hände, dann nicht zuerst ans Greifen und Begreifen, das uns nach und nach mit unserer Umgebung vertraut macht, auch nicht an die böse Tat, die dieses Vertrautsein wieder zerschlägt. Denke ich an Hände, werde ich sehr persönlich. Händen begegne ich als Abgesandten, als Wesen von eigentümlicher Natur, deren Aufgabe die Mitteilung ist, so still sie auch sind.

"Sie sind beseelte Wesen", lese ich dankbar bei Focillon. Hände sind die Boten des verborgenen Wesens in uns. Wer sie aufmerksam betrachtet, wird, wie in Gesichtern, trotz aller Einzigartigkeit, Typologien finden, und manchmal auch auf wahre Einzelgänger unter ihnen treffen. Nie aber können sie ihre Bestimmung als Boten verheimlichen. Bloß, wie sie sind, fordern sie das Erkennen heraus. Noch einmal der Kunsthistoriker Focillon: Er sieht die Hände "mit einer Physiognomie begabt - Gesichter ohne Augen und Stimme, die aber sehen und sprechen".

Nun hebe ich den Blick von ihnen, suche nach der Physiognomie des Antlitzes, versuche mir einen Eindruck der gesamten Erscheinung zu erwerben. Und schnell ergibt sich die Frage: Stimmen sie? Das heißt, stimmen die Hände zum Ganzen? Natürlich kann hier nicht von Ähnlichkeit die Rede sein. Es geht eher um Korrespondenz oder um Ergänzung, Vertiefung.

Hände mit starker, besonders eigentümlicher Aussagekraft können mit dem Ganzen versöhnen. Sie fordern dazu auf, einem anfänglichen Missfallen oder einer Irritation auf den Grund zu gehen und die Schönheit des ganzen Wesens zu suchen, die in den Händen so deutlich lebt und spricht. Auch das Gegenteil ist möglich. Fremd und unverwandt scheinen die Hände mit dem Menschen, dessen Teil sie sind, sodass ich frage: Wer hat recht?

Das alles ist reines Sehen- und Verstehenwollen und möchte die Hände nicht mit einem Geheimnis belasten, ist doch ihr Eigenleben Geheimnis genug. Ich werde daher weiterhin bei den Händen bleiben, da ihnen zweifellos die größte Aufmerksamkeit gebührt.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Philip Glass/geb.1937
Album: THE ESSENTIAL PHILIP GLASS
Titel: Metamorphosis Four - Nr.4 aus der Musik zu dem Theaterstück "Die Verwandlung" von Franz Kafka
Solist/Solistin: Philip Glass /Klavier
Länge: 07:00 min
Label: Sony SK 64133

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