Johanna Schwanberg

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Weihnachten in der Kunst

"Weihnachten im Spiegel der Kunst". Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien, beleuchtet anlässlich der Weihnachtsfeiertage künstlerische Arbeiten, in denen die Zeit der Weihnacht im Mittelpunkt steht

Eine gemütliche Bauernstube mit einem Bretterboden. In der Mitte ein Holztisch. Daneben ein kleiner Christbaum, karg geschmückt. Durch ein geöffnetes Fenster fällt Tageslicht in die Stube. Überall im Raum sind Kinder - acht Stück unterschiedlichen Alters. Bloßfüßig und in weiße Leinenhemdchen gekleidet haben sie sich um den Tisch versammelt. In der Hand halten sie Schuhe mit roten Äpfeln darin. Sie spielen damit oder zeigen sie begeistert den Erwachsenen. Diese wenden sich liebevoll den Kindern zu. Weihnachtsidylle pur also. Gemalt hat diesen "Christtagmorgen" Ferdinand Georg Waldmüller, einer der bedeutendsten Maler des österreichischen Biedermeier, im Jahr 1844.

Eigentlich bin ich für dieses Bild ja noch um einen Tag zu früh dran. Aber mir ruft dieses Weihnachtsbild aus dem Wiener Belvedere in Erinnerung, wie ich als Kind den Morgen nach dem Heiligen Abend erlebt habe. Oft bin ich, als alle noch geschlafen haben, aus meinem Zimmer geschlichen und habe mich allein unter den Christbaum gesetzt. Der Tannengeruch mitten im Wohnzimmer war so zauberhaft, dass ich ihn als das eigentliche Weihnachtswunder empfunden habe. Als dann die anderen aufgestanden waren, begann das gemeinsame Erkunden der Geschenke. Am Abend davor war alles viel zu aufregend, um es wirklich wahrzunehmen.

Waldmüllers "Christtagmorgen" lässt sich als ein Stück gemalte Kulturgeschichte betrachten, als Bild, das in realistischer Malweise die bäuerlichen Weihnachtsbräuche im Österreich des 19. Jahrhunderts festgehalten hat. Es zeigt, mit wie kleinen Geschenken man Kinder glücklich machen kann. Und es berührt, weil es etwas zum Ausdruck bringt, was wir in diesem Jahr im Zuge der Corona-Pandemie schmerzhaft zu spüren bekommen haben. Erstmals im Leben ist vielen bewusst geworden, dass es nicht selbstverständlich ist, die Feiertage generationenübergreifend mit jenen zu verbringen, die einem am nächsten sind.

Waldmüllers "Christtagmorgen" trägt diesen Gedankengang schon seit beinahe zwei Jahrhunderten in sich. Das Bild veranschaulicht in seiner Lebendigkeit und Herzlichkeit, dass das liebevolle Miteinander das Allerschönste am Weihnachtsfest ist.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: traditionell
Bearbeiter/Bearbeiterin: Walter Baco /Arrangement
Gesamttitel: LEISE RIESELT DER SCHNEE (WALTER BACO)
Titel: Variation über Oh Tannenbaum
Ausführende: Walter Baco
Länge: 03:00 min
Label: ORF-Enterprise Musikverlag

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