Ö1 Kunstsonntag: Milestones

Das alternative Neujahrskonzert des Vienna Art Orchestra

Vienna Art Orchestra: "All That Strauss" (2000)

Am 1. Jänner 2000 wurden sämtliche Stücke des Neujahrskonzerts zweimal gespielt. Nicht, dass die Wiener Philharmoniker nach jedem Stück zu einer "Zu-ga-be!" desselben genötigt worden wären, nein: Die jeweils zweite Version, vom "Lagunenwalzer" bis zur "Hellenen-Polka" und vom "Czardas" bis zum "Donauwalzer", erklang etwa zehn Stunden später, und zwar nicht im Musikverein, aber doch an einem Ort, der ebenfalls mit legendären Musikaufnahmen assoziiert wird: Die Sophiensäle im dritten Wiener Gemeindebezirk hallten am Abend des 1. Jänner 2000 von Strauß-Melodien wieder, als das Vienna Art Orchestra "All That Strauss" spielte.

Bandleader Matthias Rüegg hatte sich in bestem Einvernehmen mit den Wiener Philharmonikern deren Programm hergenommen und für sein VAO eingerichtet. Aber wie: Die 19-köpfige Band durfte in allen Farben schillern. So manche Walzerkette wandelte sich zum rhythmisch vielfältigen Groove-Katalog. Aus einer Polka wurde eine Jazz-Samba, wobei Perkussionistin Ingrid Oberkanins maßgeblich zum Gelingen beitrug und der austrobrasilianische Gitarrist Alegre Corrêa wohlwollend lächelte.

Mittendrin gab's ein unbegleitetes Solo vom einzigen Musiker, der in beiden Orchestern (bei den Wiener Philharmonikern 1996-1998 und beim VAO 1999 bis 2006) engagiert war: Kontrabassist Georg Breinschmid. Als am Ende schließlich statt der Geigen die Bläser das weltberühmte Tremolo intonierten, klatschte auch das Jazz-Publikum wissend drein, ganz wie im Musikverein. Allerdings drehte sich Kapellmeister Rüegg nicht zum Publikum um, wie es am Vormittag Riccardo Muti getan hatte. Es gab auch kein zackiges "Prosit Neujahr!", sondern unterbrechungslos einen Walzer, in dem die Donau deutlich Blues-gefärbt strömte und die berühmte Melodie mittels Wolfgang Puschnigs Saxofon seelenvoll und verschmitzt zugleich erklang.

Ein einziges Stück des Programms der Philharmoniker fand sich übrigens nicht am Abendzettel des VAO, und das war justament der "Radetzky-Marsch"! Immerhin nahm Rüeggs Band den Gassenhauer dann 2007 auf, als Vol. 2 von "All That Strauss" produziert wurde - auch dies eine hörenswerte CD. Das erste Neujahrskonzert des Vienna Art Orchestra am 1. Jänner 2000 war jedoch viel mehr: ein bunter Meilenstein am Wegrand der Jazzgeschichte. Hier wurden nicht einfach Walzer "verswingt", denn das hätte ja gewaltig schiefgehen können. Hier wurde kerniger, zeitgenössischer und bestens gelaunter Jazz geboten.

Gestaltung: Albert Hosp

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