Friedrich Dürrenmatt

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Gedanken für den Tag

Wolfgang Müller-Funk über Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt

"Die Verführbarkeit des Menschen". Anlässlich des 30. Todestages von Max Frisch und des 100. Geburtstages von Friedrich Dürrenmatt spricht der Literaturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk über Identität und Gewalt, über das Tragikomische, die Macht und die Verführbarkeit des Menschen

Das Komische scheint das Tragische überlebt zu haben. Aber wenn heute das Komische seinen Auftritt bekommt, gibt es nicht immer etwas zu lachen. Tragisch ist ein Geschehen, bei dem ein Unschuldiger, ein Mensch mit großen Eigenschaften zu Fall kommt. Wo der klassische Held dramatisch an Kurswert eingebüßt hat, ist es um das Tragische geschehen. Bei Frisch wie bei Dürrenmatt schrumpft, was einmal groß war, auf Normalgröße zusammen.

Friedrich Dürrenmatt führt uns die Mächtigen dieser Welt - König Johann, römische Imperatoren oder babylonischer Herrscher - als schmächtige und unbedeutende Größen vor. So zeigt sich der mittlerweile machtlose letzte, weise gewordene Kaiser Romulus, der im Stück den widersinnigen Beinamen der Große trägt, völlig ungerührt von der Tatsache, dass das Ende des mehrhundertjährigen Römischen Reiches unmittelbar bevorsteht. Er geht in Pension: "Der Kaiser löst sein Imperium auf. Seht euch diesen Traum von einem großen Imperium an, der im freien Raum schwebt." Dürrenmatts letztem Kaiser fällt ein Stein vom Herzen, weil er endlich die belastende Macht der Geschichte los geworden ist.

Davon berichtet auch Max Frischs Farce "Die Chinesische Mauer", in der ein ganzer Reigen von Prominenten der Geschichte in Masken auftritt, Columbus, Napoleon, Iwan der Schreckliche und viele andere. Sie werden mit einer Figur konfrontiert, die der Heutige heißt, der Napoleon erklärt: "Wir können uns das Abenteuer der Alleinherrschaft nicht mehr leisten; das Risiko ist zu groß. Wer heutzutag auf einem Thron sitzt, hat die Menschheit in der Hand."

Die berühmte Formel vom Ende der Geschichte ist bei Dürrenmatt und Frisch schon vorweggenommen. Bei aller Skepsis, die in den Werken der beiden Schweizer Autoren waltet, ist das eine gute Nachricht. Demokratie könnte bedeuten, in einer Welt, ohne große und nur mit kleinen Geschichten zu leben, ohne Opfer und Gewalt. Etwas wie eine Utopie.

Service

Friedrich Dürrenmatt, "König Johann", Verlag Diogenes
Max Frisch, "Die chinesische Mauer", Verlag Suhrkamp

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Adolf Busch/1891-1952
Album: ADOLF BUSCH: KAMMERMUSIK FÜR KLARINETTE UND STREICHER
Titel: Deutsche Tänze in F-Dur für Klarinette, Violine und Violoncello op.26c - aus "Hausmusik" op.26
* (Ruhiges Walzertempo) - (Vivace) - Un poco tranquillo - (Vivace) - Un poco tranquillo - Coda (Vivace)
Solist/Solistin: Wolfgang Meyer /Klarinette
Ausführende: Eisler Quartett /Mitglieder
Ausführender/Ausführende: Elisabeth Weber /Violine
Ausführender/Ausführende: Mischa Meyer /Violoncello
Länge: 07:27 min
Label: Avi 4260085532681

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