James-Joyce-Statue am Friedhof von Zürich

APA/AFP/Fabrice COFFRINI

Gedanken für den Tag

Robert Streibel über James Joyce

"Ein Tag für die Freiheit im Denken und Spotten". Robert Streibel, Historiker und Direktor der Volkshochschule Hietzing, zum 80. Todestag von James Joyce, an dessen "Ulysses" er drei Mal gescheitert ist, bevor er zu Ende gelesen hatte

Nicht nur in Zeiten des großen I und des Sternchens ist es wichtig, nach dem Personal des "Ulysses" zu fragen. Wie viele Männer und wie viele Frauen kommen denn da vor?

Der erste Blick fällt eindeutig aus, viele Männer, gut angezogen oder nachlässig gekleidet, verschwitzt oder wohlriechend, auf alle Fälle ist fast immer Alkohol im Spiel. Sie sind nüchtern oder betrunken, sondern auf alle Fälle viele Gedanken ab, kluge und banale. Die Frauen sind zu Hause oder sie sitzen am Strand und werden beobachtet oder fixiert, sie sind Briefpartnerinnen oder eben Huren.

Also, das Urteil ist eindeutig. Vielleicht müsste es noch eine Untersuchung geben, wer dieses Buch tatsächlich liest. Wirklich nur Männer, die sich dann in Verbundenheit an Leopold Bloom in der Früh Nierchen braten? Doch halt! Bevor wir das Urteil sprechen, ein wichtiger Hinweis. Es gibt zumindest eine weibliche Leserin des "Ulysses", die alle kennen: Marylin Monroe. Suchen sie nach dieser Sendung nach dem Foto, das sie im quergestreiften Badeanzug auf einem Kinderspielplatz zeigt, den "Ulysses" lesend.

Nein, sie hat nicht bloß mit diesem Buch posiert. Der Roman wurde ihr nicht für diesen Anlass von Arthur Miller in den Schoß gelegt, wie es immer wieder kolportiert wird. Sie hat Joyce gelesen und über ihre Lektüreerfahrung auch berichtet. Wer genau hinsieht, der bemerkt, dass sie den Schluss studiert. Und der Mund bleibt ihr offen. Kein Wunder, denn bei James Joyce hat Leopolds Frau Molly das letzte Wort in diesem Roman. Über mehr als 80 Seiten ohne Punkt und Beistrich. Und das hat Monroe fasziniert.

Der Roman endet mit Molly und begonnen hat alles an dem Tag, an dem Joyce seine spätere Frau Nora Barnacle zum ersten Mal getroffen hat. In Erinnerung an diese Begegnung hat er den 16. Juni 1904 zum Feiertag für die Literatur gemacht. Wenn das nicht romantisch ist?

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Darryl Hunt
Album: POGUE MAHONE
Titel: Love you till the end
Ausführende: The Pogues /Gesang m.Begl.
Länge: 04:32 min
Label: WEA 0630112102

weiteren Inhalt einblenden