Eine Sabella Spallanzanii, eine Art Wurm.

AFP/BORIS HORVAT

Vom Leben der Natur

Vielnamige Meeresbewohner

Der Paläontologe und Seeigel-Spezialist Andreas Kroh spricht über "WoRMS", das Weltweite Register der Meereslebewesen.
Teil 2: Eine Schnecke, viele Bezeichnungen
Gestaltung: Julia Grillmayr

In WoRMS sind durchaus einige Würmer vertreten, aber die Datenbank geht weit über diese Tiergruppe hinaus. Die Abkürzung steht für "World Register of Marine Species". Hier sollen also möglichst alle Meereslebewesen verzeichnet werden, wobei nicht nur ihr aktueller wissenschaftlicher Name und - wenn das möglich ist -
Fotografien der Organismen eingetragen sind, sondern auch Informationen zu ihrem Habitat, ihrer Anatomie, ihrem Verhalten und ihren Lebenszyklen. Das macht es Forscher/innen, aber auch interessierten Laien möglich, die allgemeinen und frei zugänglichen Daten von WoRMS neu zu verknüpfen, um bestimmte Fragestellungen zu beantworten: etwa welche Organismen besonders unter der zunehmenden Versauerung der Meere leiden, weil ihr Skelett oder ihre Schale aus einem anfälligen Material aufgebaut ist. Auch ist es so möglich, die Artenvielfalt bestimmter Gebiete aufzuzeigen - um wissenschaftliche Karten zu zeichnen, aber auch, um sich auf einen Tauch-Urlaub vorzubereiten.

Was WoRMS auch verzeichnet, sind alle veralteten und volkstümlichen Namen, unter denen eine Tierart bekannt ist. Das sind oft mehrere Dutzend, in extremen Fällen bis zu hundert verschiedene Namen für eine Art. Das kam zustande, da weltweit zahlreiche Wissenschafter/innen gleichzeitig Arten entdecken und benennen, diese Entdeckungen aber nicht bzw. erst in jüngster Zeit, durch das Internet, in Echtzeit bekannt machen können. Außerdem gibt es das Phänomen, dass eine Art zahlreiche unterschiedliche Artbeschreibungen hat, weil Wissenschafter/innen früherer Jahrhunderte Arten allein anhand eines einzelnen Körperteils beschrieben haben. So kam es vor, dass anhand der Flosse eines Wals eine neue Art beschrieben wurde und anhand des Zahns desselben Wals eine andere Art. In anderen Fällen, besonders etwa bei einigen Meeresschnecken, sind die individuellen Tiere einer Spezies so vielgestaltig, dass es naheliegt, dass sie als verschiedene Arten aufgefasst wurden, die man heute - mittels moderner Genetik - aber unter einen Artbegriff zusammenfasst.

Dieses Verzeichnen und Verknüpfen abertausender, teils redundanter Namen scheint nur auf den ersten Blick wie eine akademische Spielerei. Die Listen, die WoRMS bereitstellt, haben ganz praktische Anwendungen - etwa für den Zoll. Mit Meereslebewesen wird unglaublich viel Handel betrieben. Das Exportieren von bedrohten Tierarten, die offiziell unter Schutz gestellt sind, ist dabei oftmals durch "Namenverwirrung" getarnt. Es gibt nur wenige Spezialist/innen, um gewisse Weichtiere oder Muscheln zu identifizieren und den Überblick über die verschiedenen Namen zu behalten. Die Einträge in WoRMS, die möglichst alle kursierenden Namen einer Art verknüpfen, geben den Zollbeamt/innen Werkzeuge an die Hand, um Tierarten, die auf bedrohten Listen stehen, zu identifizieren.

WoRMS weckt also Interesse an unterschiedlichen Lebensräumen der Meere und ihrer großen Artenvielfalt und trägt zum Schutz und der Erforschung dieser Biodiversität bei. Um das noch sichtbarer zu machen und die Vernetzung der Forschung voranzutreiben, wird sich die Initiative auch um ein "endorsement" der Vereinten Nationen bemühen: eine offizielle Anerkennung von WoRMS im Zuge der UN-Dekade der Ozeane und Ozeanforschung.

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GESPRÄCHSPARTNER:
Dr. Andreas Kroh
Naturhistorisches Museum Wien https://nhm-wien.ac.at/
Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator der Paläozoischen Sammlung
LINK:
WoRMS World Register of Marine Species http://www.marinespecies.org/

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