Ausschnitt des Buchumschlags, Maxerl steht an der Klippe

KREMAYR & SCHERIAU

Gedanken für den Tag

Petra Ramsauer über Angst

"Vom Mut, sich der Angst zu stellen". Petra Ramsauer, Journalistin und Autorin, beschreibt ihren eigenen Weg, mit Angst umzugehen

Ob ich denn keine Angst hätte, in Syrien zu sterben, werde ich sehr oft gefragt. Mehr und mehr wird mir gerade bei Vorträgen klar, wie sehr dies Menschen beschäftigt; mitunter mehr als die Konflikte in den Krisenregionen, über die ich eigentlich erzählen sollte. Anfangs habe ich diese Frage als nebensächlich abgetan. Doch sie hält an, stellt sich wieder und wieder, zäh.

Also habe ich begonnen, sie so ehrlich wie möglich zu beantworten: Mein Tod werde sich leider nicht verhindern lassen, wenn ich nie nach Syrien, Afghanistan oder in ein anderes Kriegsgebiet fahren würde. Natürlich bin ich extrem vorsichtig und Risiko an sich ist für mich kein Grund, in solche Gegenden zu fahren. Schlussendlich aber ist es egal, was ich mache, oder nicht mache. Ich werde irgendwann sterben. Da habe ich keine Wahl, aber sehr wohl, ob ich mein Leben verliere, weil ich es in einer Komfortzone ablebe, nicht das tue, was mir sinnvoll scheint. - Damit löste ich zwar sehr betretenes Schweigen aus, aber öffnete mein Visier.

Dass wir höchst zerbrechliche Wesen sind, sorgt in unserer "westlichen" Sicherheits- Kultur für eine noch fürchterlichere Angst als der Tod selbst. "Niemand hat in Wahrheit Kontrolle über das Leben. Unfälle, die Biologie des Alters werden irgendwann nicht abzuwenden sein. Aber wir sind nicht hilflos. Wir haben die Macht, unsere Lebensgeschichte zu gestalten. Mut besteht darin, die Stärke zu haben, beide Realitäten zu akzeptieren", schreibt Atul Gawande, ein amerikanischer Arzt, in seinem auch sehr mutigen Buch über die Sterblichkeit. Er schreibt weiter: "Ein oberflächlich betrachtet glückliches und geordnetes Leben kann sich leer anfühlen, ein schwieriges bereichernd." Sinn ergebe sich, so Gawande, daraus, ob man intensive Momente erlebt, sie zugelassen hat.

Oder eben nicht, weil die Angst davor zu groß war, zu viel zu riskieren. Freilich ist mein Weg extrem, ist so auch ein Reibungspunkt. Sich an Scharfschützen vorbeizuwagen, sich der Gefahr auszusetzen, von Terroristen entführt zu werden bei der Arbeit, das ist definitiv ein Sonderfall des Umgangs mit Angst.

Risiken haben auch viele Erscheinungsformen. Mitunter sorgen sogar schöne Perspektiven für heftige Angst, dass "etwas" passieren und den Kokon der Verlässlichkeit sprengen könnte. Eine neue Liebe. Ein Job-Angebot. Da fährt die Angst vor Veränderung ihre Krallen aus. Angenehm ist das Gefühl nicht, es stresst massiv, vor allem, wenn alles auf maximale Risiko-Minimierung ausgerichtet ist. Die Furcht-Muskulatur unserer Seelen ist untrainiert. So werden viele Gelegenheiten verpasst, weil eben dieser Sprung in Möglichkeiten nicht gewagt wird.

Service

Petra Ramsauer, "Angst", Verlag Kremayr & Scheriau

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Thomas Newman/geb.1955
Gesamttitel: UP CLOSE AND PERSONAL / Original Filmmusik
Titel: Miss Sierra Logger
Anderer Gesamttitel: AUS NÄCHSTER NÄHE / Original Filmmusik
Leitung: Thomas Newman
Ausführende: Unbekannt
Orchester: Filmorchester
Länge: 02:56 min
Label: Hollywood Records 1620532

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