Petra Ramsauer über Angst

6. Februar 2021, 06:56

Ohne Stress, ohne Angst würden wir uns gar nicht weiterentwickeln, formuliert es Gerald Hüther, Neurobiologe und einer der führenden deutschen Gehirnforscher in seinen Büchern zum Wesen der Angst. "Belastung stärkt, Belastung stählt. Ein Immunsystem, das immer nur geschont wird, weiß nicht, wie es Angriffe abwehren soll. Wer keine Rückschläge erleidet, keine Krisen meistert, kann nicht über sich hinauswachsen und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten entwickeln."

Angst erfasst den ganzen Körper, das gibt ihr eine Sonderstellung im Repertoire der Gefühle. Sie ist unser Leitgefühl, Triebfeder der Entwicklung, ein Anstoß, um zu lernen, sehr vereinfacht zusammengefasst: ein Wachstumsimpuls für das Gehirn. Wenn uns etwas unter die Haut geht, dann entfaltet es Kraft.

Das Gehirn der Menschen ist elastisch, lernfähig. In der Spanne der Evolution, die zwischen Sauriern und Säugetieren lag, wurde der Grundstein dafür gelegt. Nicht fest geregelte Bahnen lenken die Reaktion auf Wahrnehmungen, sondern die Nervenzellen begannen, sich ab diesem Zeitpunkt in den Gehirnen neu zu organisieren. Säugetiere sind in der Lage, in ihren Gehirnen neue Verbindungen zu knüpfen. Dies bedeutet, auf neue Herausforderungen reagieren zu können, neue Reaktionswege einzuschlagen, diese zu festigen oder auch alte, nicht mehr tragfähige Routen einfach zu kappen. Vor allem Stressreaktionen führten dazu, dass die Gehirne größer und lernfähiger werden und wurden, und sie sind auch, wie Hüther sagt, "der große Modellierer, der sogar noch im Laufe unseres Lebens immer wieder dafür sorgt, dass Verschaltungen, die sich als Sackgassen erweisen, aufgelöst und neue Wege gegangen werden. Und in beiden Fällen ist der Auslöser dieser Reaktion Angst."

Wer sozusagen eine "hohe Angstbereitschaft" hat, der behält die Gefahr genauso wie die Lösung und das Beruhigende im Blick. Es ist also eine Grundkompetenz des Lebens: Wie jemand mit Angst umgeht, ob es gelingt, die Segel so zu setzen, dass die Bö von höchster Anspannung einen ruckartig vorwärtsbringt oder sie einen vom Kurs abdriften lässt, das entscheidet maßgeblich über das Lebensglück.

Service

Petra Ramsauer, "Angst", Verlag Kremayr & Scheriau

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler