Letzter Vorhang für Chick Corea

12. Februar 2021, 17:30

Donnerstag-Abend wurde dann doch zur Gewissheit, was zuerst nur als unbestätigtes Gerücht durch die Weiten des Internets geisterte: Chick Corea sei am 9. Februar 79-jährig an den Folgen einer seltenen, kurz zuvor diagnostizierten Krebserkrankung verstorben, so wurde auf der Facebook-Seite des US-amerikanischen Musikers bekannt gegeben. Die Meldung vom Tod eines der bedeutendsten Pianisten des modernen Jazz war schwer zu glauben: Coreas Umtriebigkeit, seine rastlose Tournee-Tätigkeit und der scheinbar mühelose Fluss an Ideen, der sich in einem hohen CD-Output niederschlug, hatten das Bild eines ewigen Jungspunds entstehen lassen - zu dem auch der Spitzname "Chick" (für Baby, Nesthäkchen) beitrug, den er seit Beginn seiner Karriere trug.

Diese hatte in den 1960er-Jahren in New York ihren Anfang genommen, wohin Chick Corea aus seiner Heimatstadt Chelsea bei Boston gezogen war: Nach ersten Engagements u.a. bei Perkussionist Mongo Santamaría und Saxofonist Stan Getz ließ Corea die Jazzwelt erstmals mit seinem zweiten eigenen Album "Now He Sings, Now He Sobs" (1968) aufhorchen. Im selben Jahr berief Trompeter Miles Davis ihn als Nachfolger von Herbie Hancock in seine Band, wo Corea an den für den Rock-Jazz wegweisenden Einspielungen "In A Silent Way" und "Bitches Brew" beteiligt war. Die Geschichte jener Musik prägte Corea dann auch mit seiner berühmten, 1971 gegründeten Formation "Return To Forever": Mit Sängerin Flora Purim, Saxofonist Joe Farrell, Bassist Stanley Clarke und Perkussionist Airto Moreira (so die Erstbesetzung der später mehrmals wiedervereinigten Band) zelebrierte er eine federnde, spritzige, fast kammermusikalische Spielweise des Rock-Jazz, seine Komposition "Spain" wurde zum Jazz-Hit.

Corea pendelte in den 1980er-Jahren nicht nur zwischen "Elektric Band" und "Akoustic Trio", er wandte sich auch - ermutigt von Friedrich Gulda - Mozart zu: Gemeinsam mit Nikolaus Harnoncourt wurde das Es-Dur-Konzert für zwei Klaviere (KV 365) aufgenommen. Corea komponierte auch selbst Orchester- und Kammermusik, die Aufführung seines zweiten Klavierkonzerts "The Continents" erfolgte 2006 im Rahmen des Wiener Mozartjahrs in der Staatsoper. Neben Reunions mit alten Mitstreitern - längjährige Kollaborationen verbanden Chick Corea auch mit Vibrafonist Gary Burton und Vokalist Bobby McFerrin - suchte er auch immer wieder die Nähe zu jungen Talenten: 2001 veröffentlichte das Chick Corea New Trio mit dem israelischen Bassisten Avishai Cohen and US-Schlagzeuger Jeff Ballard das Album "Past, Present & Futures."

Am Ende standen rund 60 Alben unter eigenem Namen und 23 Grammys zu Buche - von den letzteren mehr als bei jedem anderen Jazzmusiker. Seine Arbeit hatte für Corea, dessen langjährige Mitgliedschaft in der Scientology-Sekte immer wieder für Diskussionen sorgte, nicht die Funktion eines gesellschaftspolitischen Seismografen wie für viele andere Improvisationsmusiker/innen: "Für mich besitzt die Musik höhere Funktion. Wir haben unseren täglichen Überlebenskampf - es existieren ohnehin genug Probleme. Ziel meiner Musik ist es, mich und uns über all das zu erheben. Um frisch dafür zu sein, die Zukunft nach unseren Vorstellungen zu gestalten", so formulierte Chick Corea anno 2003 in der Tageszeitung "Der Standard" sein Credo.

Nun war sein Weg zu Ende. Es ist ihm zu wünschen, dass dabei eintrat, was Corea damals im gleichen Interview gelassen ankündigte: "Ich werde dereinst lächelnd abtreten."

Sendereihe

• Spielräume

Gestaltung

• Andreas Felber

Übersicht

• Jazz