Karl Sigmund über die Göttlichkeit der Mathematik

16. März 2021, 06:56

"Die ganzen Zahlen hat uns der liebe Gott gegeben, alles andere ist Menschenwerk." Also sprach vor 150 Jahren Leopold Kronecker, Professor, nicht der Theologie, dort spricht man selten vom lieben Gott, sondern der Mathematik. Kronecker bezog sich auf die Jahrtausende alte Geschichte der Zahlen.

Es gibt viele Arten von Zahlen. Die Bruchzahlen: zwei Drittel, fünf Achtel. Die reellen Zahlen, wie die Wurzel von Zwei. Die komplexen Zahlen, wie die Wurzel von Minus Eins, und viele andere. Es sind Werkzeuge, geschaffen von Menschengeist, um damit zu zählen, zu messen, vor allem aber zu rechnen. Eben Menschenwerk, wie Kronecker sagt. Aber warum nimmt er davon die ganzen Zahlen aus, und schreibt sie dem lieben Gott zu?

Zu den ganzen Zahlen gehören ja - neben den natürlichen Zahlen 1,2,3 - auch die 0 und die Zahlen -1, -2, -3. Es hat lange gedauert, bis wir damit rechnen konnten. Die Regeln sind verwirrend. Ein Beispiel: wieviel ist 0 mal 0? Null? Wieso eigentlich? Wenn man kein mal nichts nimmt, dann nimmt man doch etwas, oder? Warum also ist 0 mal 0 gleich 0? Und warum ist Minus mal Minus gleich Plus? Weil wir es schon als Kinder so gelernt haben? - Hmm. Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass wir diese Regeln verwenden, um vertraute Rechengesetze weiter anwenden zu können.

Um es mit Gauß zu sagen, einem der größten Mathematiker: "Man sollte nie vergessen, dass alle mathematischen Begriffe nur unsere eigenen Geschöpfe sind und dass man eigentlich nicht fragen soll ,was ist?', sondern ,was konveniert anzunehmen?'. Zum Beispiel das Produkt aus Minus mal Minus." Soweit Gauß.

Minus mal Minus gibt Plus, ist also eine Konvention, eine Abmachung. Die ganzen Zahlen sind demnach wohl auch Menschenwerk. Bei den natürlichen Zahlen 1,2,3, bin ich mir aber nicht so sicher.

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• Alexandra Mantler