Virginia Woolf

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Gedanken für den Tag

Ingrid Pfeiffer über Virginia Woolf

"Nur Autobiographie ist Literatur". Die Autorin und Germanistin Ingrid Pfeiffer anlässlich des 80. Todestages von Virginia Woolf

"Das ist die schlimmste aller Erfahrungen in meinem Leben", schrieb Virginia Woolf drei Tage nach der Kriegserklärung Englands an Deutschland am 6. September 1939 in ihr Tagebuch.

Virginia und Leonard Woolf lebten zuletzt ausschließlich in Rodmell, im Monk's House, da ihr Londoner Haus von Bomben zerstört war. Am 28. Jänner 1939 besuchten sie noch Sigmund Freud, dessen Werke sie in der Hogarth Press seit 1924 verlegten. "Freud hat mir eine Narzisse gegeben", schreibt Virginia Woolf in ihr Tagebuch und wird die Geste verstanden haben.

Hätte die Psychoanalyse ihr helfen können? Es ist oft darüber spekuliert worden. Sie wehrte die Auseinandersetzung damit ab, andererseits stand die Psychoanalyse während der Frühzeit ihrer Krankheit in England noch nicht zur Verfügung.

Während der Angriffe der Deutschen auf England und der drohenden Okkupation planten die Woolfs wie viele ihrer Freunde ihren Suizid, sollte das eintreffen. Virginias Bruder Adrian versorgte sie sogar mit Morphium.

Zuletzt ging es für Virginia Woolf aber um die Stimmen: Da war die Stimme ihres Schreibens, die im Jänner 1941 zu leise wurde. Ihr letzter Roman "Zwischen den Akten" wurde zwar zum Druck übergeben, die geplante Überarbeitung gelang ihr nicht mehr. Tagebucheinträge wurden seltener, im vorletzten sprach sie sich selbst noch Kraft zu: "Aber ja, ich werde diese Verfassung bezwingen."

Am 28. März, nachdem sie einen Brief für Leonard und einen für ihre Schwester hinterließ, stieg sie in ihrem mit Steinen beschwerten Mantel in den Fluss Ouse. Erst drei Wochen später wurde ihr Leichnam gefunden. Im Abschiedsbrief schreibt sie davon, wieder Stimmen zu hören und nicht mehr schreiben zu können. Davor wolle sie sich und Leonard bewahren.

Ich stimme ihrer Biografin zu: Es ist nicht der Brief einer Wahnsinnigen, sondern eines verzweifelten Menschen.

Service

Klaus Reichert (Hg.), "Virginia Woolf. Gesammelt Werke", 19 Bände, S. Fischer Verlag
Michael Cunningham, "Die Stunden", btb Verlag
Leonard Woolf, "Mein Leben mit Virginia. Erinnerungen", Fischer Taschenbuch
Quentin Bell, "Virginia Wool. Eine Biographie", Suhrkamp Taschenbuch
Hermione Lee, "Virginia Woolf - Ein Leben", Fischer Taschenbuch
Leonard Woolf (Hg.), "A Writer's Diary by Virginia Woolf", The Hogarth Press


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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: David Motion
Komponist/Komponistin: Sally Potter
Vorlage: Virginia Woolf/1882 - 1941
Gesamttitel: ORLANDO / Original Filmmusik
Titel: Pavanne
Orchester: Filmorchester
Länge: 02:38 min
Label: Varese Sarabande VSD 5413

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