Zwischenruf

Claudia Prutscher über das jüdische Pessachfest

von Claudia Prutscher, Vizepräsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Wien

Christinnen und Christen hier im Land begehen heute den Palmsonntag, im Judentum ist heute der 1. Tag des Pessachfestes. Es ist unglaublich, aber leider wahr. Vor einem Jahr durfte ich im Zwischenruf ebenfalls über Pessach sprechen, und erinnere mich noch sehr gut daran, wie ungewöhnlich die Beschreibung dieses Festes unter den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen für mich war. Ein Fest, in Gedanken an die Befreiung der Jüdinnen und Juden aus der Sklaverei, das traditionell im großen Kreis gefeiert wird.

Jetzt, ein Jahr später, hat sich noch nicht viel verändert. Auch dieses Jahr wurde am Abend vor dem 1. Tag Pessach - im Judentum beginnen alle Feiern mit dem Sonnenuntergang des vorangegangenen Tages - der Seder abgehalten, das rituelle Abendessen zur Erinnerung an den biblischen Auszug aus Ägypten. Und wieder unterscheidet sich der Seder von all den vorangegangenen Jahren.

Traditionell versammelten sich die gesamte Familie mit Freunden zu dem Seder. Das ist leider auch heuer nicht möglich. Im kleinen Familienkreis werden symbolische Speisen aufgetragen, wie Eier, die für das Glück stehen, aus der Sklaverei befreit worden zu sein, Bitterkräuter für die Bitternis der Sklaverei, Salzwasser für die Tränen, die von unseren Vorfahren vergossen wurden, und ein Gemisch aus zerkleinerten Äpfeln, Nüssen und ein wenig Rotwein, genannt Charosset, das auf das ungesäuerte Brot, die Mazza, gestrichen wird. Das symbolisiert den Lehm, den unsere Vorfahren als Sklaven zu Ziegeln formen und brennen mussten. Das ungesäuerte Fladenbrot, die Mazza, wurde zur Nahrung während der Flucht mitgenommen, nachdem es keine Zeit zum Säuern des Brotteiges gegeben hatte. So wurden die Fladen, bestehend aus Mehl und Wasser, rasch gebacken und mitgenommen.

Während des Sederabends haben die jüngsten Kinder eine ganz besondere Aufgabe. Sie stellen den Erwachsenen 4x die Frage, was an diesem Abend denn anders sei als an anderen Abenden. Und dann wird die Pessachgeschichte gelesen - der Auszug aus Ägypten und damit die Befreiung aus der Sklaverei. Es geht dabei um die Wichtigkeit, den Kindern den Sinn der Pessachbräuche und die Geschichte unserer Vorfahren nahezubringen. Das sind Werte und Traditionen, die Kinder prägen und die sie wiederum später an ihre Kinder weitergeben (so wachsen Generationen zusammen und es entsteht ein tiefes Gefühl der Verbundenheit).

Vor einem Jahr habe ich die Frage gestellt, was die Corona Krise in unserer Gesellschaft verändern wird. Die Antwort darauf habe ich noch nicht gefunden. Wohl ist zu bemerken, dass unser Leben heute sehr stark vor unseren Computern stattfindet. Kinder und Jugendliche werden online unterrichtet, Besprechungen werden per Zoom abgehalten, und so weiter. Aber was macht das mit uns Menschen?

Als soziale Wesen leben wir ja auch in Gemeinschaften und brauchen den persönlichen Austausch. So gesehen empfinde ich diese Situation ein wenig vergleichbar mit einer Art "Gefangenschaft". Durch die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen leben wir in Isolation und wünschen uns nichts sehnlicher als die Befreiung daraus. Und hier sehe ich die Verbindung zu dem diesjährigen Pessach-Fest. Denn Befreiung steht zu Pessach an vorderster Stelle.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Elias Meiri
Album: PIANO FORTE
Titel: Jasmin/instr.
Solist/Solistin: Elias Meiri /Piano m.Begl.
Ausführender/Ausführende: Christian Weber /Bass
Ausführender/Ausführende: Fernando Paiva da Silva /Drums
Länge: 05:50 min
Label: Eigenkopie, kopiert von Adam & Eve TB 004

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