Laura Freudenthaler

MARIANNE ANDREA BOROWIEC

Ö1 Kunstsonntag: Tonspuren

Die Schriftstellerin Laura Freudenthaler und ihre Geister

"Suspekt ist mir ein Erzählen, das sich der Wirklichkeit gewiss ist."
Porträt der Autorin Laura Freudenthaler.

Laura Freudenthaler hat nun eine Homepage. "Dieser Umstand verdankt sich der Europäischen Union", stand dort bis vor Kurzem. Die EU zeichnete ihren jüngsten Roman "Geistergeschichte" aus, die Homepage gab es quasi dazu. Für die erfolgreiche Selbstvermarktung sei sie unerlässlich, hatte man ihr erklärt. Auf die Seite stellte Freudenthaler Essays, die die Grundregeln schnellen Internetkonsums elegant ignorieren: sie sind lange, komplex gedacht, ohne Fotos der Autorin.

Selfie am Schreibtisch? Eher nein. Laura Freudenthaler besitzt kein Smartphone, schreibt am liebsten auf Papier. Die Autorin, geboren 1984 in Salzburg, wohnhaft in Wien (auch das verschweigt die Homepage) verweigert und hinterfragt - Geschlechterrollen, Wirtschaftsverhältnisse, digitale Kammern, Worthülsen, nicht zuletzt auch sich selbst und ihr Werkzeug, die Sprache. "Suspekt ist mir ein Erzählen, das sich der Wirklichkeit gewiss ist", notiert sie in einem Essay.

Laura Freudenthaler arbeitet in den Zwischen-, Unter- und Grenzbereichen der Wahrnehmung. Ihre Figuren dürfen nicht mit einem festen Boden rechnen. Die Sprache verrät sie, die Körper tun das sowieso. Ob es die Großmutter Fanny in ihrem Debütroman "Die Königin schweigt" ist, die nachts Besuch von der Vergangenheit bekommt, oder das auseinanderdriftende Ehepaar in der "Geistergeschichte". Oder die Figuren in ihren "Paargeschichten", wo die Frauen erst die männlichen Zuschreibungen niederringen müssen. Ihre Ironie mache ihn traurig, sagt einer dieser Männer am Ende einer Nacht. Aber er sehe schon, die junge Frau komme aus ihrer Verweigerungshaltung nicht heraus.

2020 wollte Laura Freudenthaler das "Sich-Ausstellen" ausprobieren, nahm beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil und gewann mit ihrem Text "Der heißeste Sommer" den 3sat-Preis. Vor der Kulisse von Klimawandel und Hitzerekorden setzen zwei Brandstifter mit dem Charme von Rachegöttern eine moderne ländliche Welt in Brand. Zeitgleich zum Wettbewerb erschien auf der Homepage eine Ausstellung - hunderte Augen erwarteten die Besucherinnen, daneben assoziative Texte zu Waldbränden, Korallensterben, Verletzlichkeit. Darunter der Satz: "Dem Menschen ist nur zu helfen, wenn er zu Tode erschreckt wird."

Sendereihe

Gestaltung

  • Antonia Löffler

Übersicht