Ö1 Kunstsonntag: Zeit-Ton extended

Eine neue "Matthäus-Passion"

Erinnerungen an noch nie Gehörtes. Die neue Passions-Vertonung des dänischen Komponisten Bent Sørensen, aufgenommen im Osloer Dom

Die Geschichte von Leiden und Tod Jesu wurde schon früh als eines der zentralen Sujets christlich motivierter Musik entdeckt und ist es durch die Jahrhunderte bis heute geblieben, auch nach Pendereckis mittlerweile in den Kanon eingegangener "Lukas-Passion": zunächst an konfessionellen Gottesdienst gebunden, später auch mit generellem, über Glaubensgrenzen hinweg gehendem Anspruch in den Konzertsaal versetzt - der freilich wiederum eine Kirche sein konnte: zum Beispiel der Dom zu Oslo, wo im vergangenen März jener Mitschnitt entstanden ist, der dieser Ostersonntagsausgabe von "Zeit-Ton" zugrunde liegt.

"Das erinnert mich an etwas, das ich noch nie gehört habe": So lautete einmal die spontane Reaktion eines Komponistenkollegen auf die Musik von Bent Sørensen - und dieser Eindruck mag auf eine Passion in besonderem Maße zutreffen. Dabei sind die Werke des 1958 geborenen Dänen Sørensen in Ästhetik und Technik unbestreitbar in unserer Zeit verankert, und dennoch wurde seine Tonsprache gerühmt als "durchdrungen von Erinnerungen, Weisheit der Erfahrung und alten Träumen".

Schon 2020 wollten die Dirigentin Grete Pedersen, ihr Norske Solistkor und das Ensemble Allegria Sørensens "Matthäus-Passion" als Uraufführung beim Internationalen Kirchenmusikfestival in Oslo präsentieren - pandemiebedingt musste die Premiere dann aber ein Jahr verschoben werden und konnte nun am 12. März 2021 im Osloer Dom stattfinden. Jakob Holtze hat für das Werk einen Text zusammengestellt, der selbstredend auf das entsprechende Evangelium zurückgreift, aber auch auf jenes von Johannes und außerdem Auszüge aus dem lateinischen Messtext mit Lyrik von Edith Södergran, Anna Akhmatova, Emily Dickinson, Søren Ulrik Thomsen u.a. kombiniert.

Die Partitur verlangt Streichorchester, zehn Bläser, Schlagwerk und einen achtstimmigen Chor - zweigeteilt und in weiter Entfernung voneinander aufgestellt; vier Solopartien werden von Chormitgliedern übernommen. Für Sørensen repräsentiert das Werk "die Passion Jesu, der Menschheit, von Leben und Liebe". Den traditionellen Part des Evangelisten hat er in seiner Komposition ausgespart: Die Musik selbst übernimmt die Rolle des Erzählers.

(Die angekündigte "Patchwork-Passion" der BBC Singers musste Corona-bedingt abgesagt werden.)

Gestaltung: Walter Weidringer

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