Erwin Ringel

ORF/PETER KURZ

Gedanken für den Tag

Arnold Mettnitzer über Erwin Ringel

"Die österreichische Seele". Anlässlich dessen 100. Geburtstages erinnert sich der Theologe und Psychotherapeut Arnold Mettnitzer über seinen ehemaligen Lehrer

Zum heutigen Internationalen Tag des Jazz hätte Erwin Ringel mit Sicherheit Großartiges zu sagen gewusst. Vieles in seiner Arbeit kann man ja auch mit der Lust an der freien Interpretation eines Themas vergleichen ...

"Ein Therapeut", sagt er einmal, "muss, wenn er nicht in seiner Praxis ist, in der Oper sein oder im Theater, im Konzert oder im Kino, dort, wo die Abgründe des Lebens verhandelt werden! Aber noch besser ist es für einen Therapeuten, fügt er hinzu, wenn er das Glück hat, in Wien zu leben: In dieser faszinierend ambivalenten Stadt der Musik und des Theaters, aus der Gustav Mahler mit der Frage flüchtet, ob man hier immer erst tot sein müsse, damit sie einen leben lassen und in die er drei Jahre später zum Sterben zurückkehrt - überzeugt davon: "Wenn die Welt untergeht, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles 50 Jahre später."

Wien, wo Stefan Zweig über die "Abgründe des Herzens" und "die Verwirrung der Gefühle" schreibt. Wien, die Stadt Sigmund Freuds, Alfred Adlers und Viktor Frankls! Nirgendwo sonst hätte Erwin Ringel leben wollen!

Einmal darf ich ihm vorlesen, an was sich Ingeborg Bachmann hier erinnert: "Soviel zerbröckelter Stein, soviele hohle Wände . Hofrätliches und Abgetretenes in Kanzleien. Nie ein hartes Wort in den Vorzimmern, immer ein kränkendes. (Hinhalten, nicht abweisen.) . Stadt der Witzemacher, der Speichellecker, der Spießgesellen. (Für eine Pointe wird die Wahrheit geopfert und gut gesagt ist halb gelogen.)" Nachdem ich fertig bin, reibt sich Ringel die Hände und ruft: "Nur hier in diesem Wien konnte Sigmund Freud die Neurose entdecken! In Rom, Neapel oder Palermo wäre er ein einfacher Nervenarzt geblieben."

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Übersicht

  • Der Ö1 Jazztag

Playlist

Komponist/Komponistin: tonc Feinig
Titel: Könnt ich zagen - Musikalisch jazzige Gedanken zu Erwin Ringels Lieblingslied "Im Abendrot"
Ausführende: Edgar Unterkirchner/Saxophon, Tonc Feinig/Klavier
Label: Eigenverlag

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