Zwischenruf

Monika Slouk über Femizide

Was Gewalt gegen Frauen mit fehlender Emanzipation von Männern zu tun hat, erklärt Monika Slouk, Leitende Redakteurin der Kirchenzeitungskooperation der Diözesen Linz, Innsbruck, Feldkirch und Eisenstadt

Eine Revolution der Zärtlichkeit wünscht sich Papst Franziskus. "Zärtlichkeit ist keine Schwäche, Zärtlichkeit ist Stärke", sagte er zum Beispiel bei einer Videoansprache 2017. Auch über Sex spricht der Papst gerne und nennt ihn ein Geschenk Gottes. Damit steht er nicht allein auf weiter katholischer Flur. "Küssen ist beten", schreibt etwa Wunibald Müller, der Autor, Psychotherapeut und Theologe und nennt Sexualität eine Quelle der Spiritualität.

Leider ist Sexualität auch eine Quelle der Gewalt. Ich halte es schlicht für einen Fehler in der Schöpfung - bzw. in der Evolution - dass sexuelle Gewalt biologisch überhaupt möglich ist. Dass Fortpflanzung, ein hohes Gut in der Evolution, durch Gewaltanwendung erzwingbar ist. Leider müssen die Menschen, Frauen und Männer, mit dieser Möglichkeit leben. Das heißt aber nicht, dass sie sexuelle Gewalt oder andere Gewalt ausüben müssen. Menschen werden dadurch zu Menschen, dass nicht nur die Natur ihr Leben prägt, sondern dass sie eine Kultur des Zusammenlebens entwickelt haben und weiterentwickeln.

"Femizid" klang bis vor kurzem in vielen Ohren noch wie ein Medikament oder wie ein Putzmittel. Doch Femizid wurde in den vergangenen Wochen in Österreich so oft verübt, dass er zu trauriger Berühmtheit gelangte: der Frauenmord. Der Ehemann, Freund oder ehemalige Partner tötet seine Ehefrau, Freundin oder ehemalige Partnerin. Mehr als die Hälfte dieser Frauenmordopfer hatten Kinder, waren also Mütter, das sei zum Muttertag in Erinnerung gerufen. Endlich reden die politischen Verantwortlichen nicht mehr nur über den Schutz von Frauen, sondern über die Verantwortung der Männer.

Selbstverständlich braucht es einen leicht zugänglichen und wirkungsvollen Opferschutz. Es braucht aber auch den Schutz der Täter. Nicht im Sinne einer Täter-Opfer-Umkehr. Es braucht den Schutz der Täter vor ihrer Tat, vor sich selbst, davor, zu Tätern zu werden. Das kann nicht vom Opfer verlangt werden. In Social Media-Kommentaren zu den Frauenmorden lese ich, dass schon kleine Mädchen möglichst viel Selbstwertgefühl mit auf den Weg bekommen sollen, um sich zur Wehr zu setzen und solche Gewaltverbrechen vermeiden zu können.

Aber die Verantwortung für den Mord liegt nicht beim Opfer! Warum ist der Grundtenor der Kommentare denn nicht, dass schon kleine Buben möglichst viel gesundes Selbstwertgefühl mit auf den Weg bekommen sollen, damit sie solche Gewaltverbrechen vermeiden können? Wer ein stimmiges Selbstwertgefühl hat, tötet nicht seine Ehefrau, Freundin oder ehemalige Partnerin. Es ist nun wirklich Zeit, dass sich Männer aus ihrem eigenen Schlamassel von falsch verstandener Männlichkeit, von Macho-Gehabe und "Wissen-Wie-Es-Geht" befreien. Frauen emanzipieren sich seit Jahrzehnten, unter großer Anstrengung und mit vielen leeren Kilometern. Das Bild der Männlichkeit hat sich seit Jahrzehnten gefühlt um einen Millimeter verändert. Das ist für mich die kleine Elite der Männer, die die Fesseln der künstlichen Männlichkeit abgelegt und auf die eine oder andere Art zu sich selbst gefunden haben.

Wie lang wird es dauern, bis die Männer-Emanzipation eine breite Basis findet? Bis auch die letzten Männer sich nicht auf Kosten von Frauen stark fühlen, sondern weil sie sich selbst lieben und wissen, dass man mit Gewalt zwar Kinder zeugen, aber niemals glücklich werden kann. Dieser Muttertag sei den Müttern gewidmet, die ihren Kindern keine Liebe geben können, weil sie selbst nicht geliebt wurden. Und denen, die ihren Kindern Liebe geben können, obwohl sie selbst nicht geliebt werden. Und den Partnern, die ihre Frau lieben, achten und ehren, egal ob Mutter oder nicht.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Zbigniew Preisner
Album: ZBIGNIEW PREISNER: 10 LEICHTE STÜCKE FÜR KLAVIER
Titel: Nr.7 Farewell
Solist/Solistin: Leszek Mozdzer /Klavier
Länge: 05:11 min
Label: EMI Classics 5569712

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