Menschenmenge unter Regenschirmen

APA/AFP/SAVO PRELEVIC

Punkt eins

Klassenkampf oder Identitätspolitik?

Über Solidarität und das Ringen um individuelle Anerkennung.
Gäste: Lea Susemichel, Journalistin, leitende Redakteurin bei "an.schläge" & Dr. Jens Kastner, Soziologe und Kunsthistoriker am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste Wien.
Moderation: Marlene Nowotny.
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Spätestens mit der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten debattierten Intellektuelle weltweit über die Ursachen des politischen Rechtsrucks und den Aufstieg der Rechtspopulisten in den USA und Europa. Der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama veröffentliche 2018 ein Buch dazu, dass linke Politik in den Fokus nahm: In "Identität" argumentierte er, dass linke Identitätspolitik, also der Fokus auf vermeintliche Partikularinteressen wie Feminismus, Homosexuellenrechte oder ethnische Minderheiten, zum Aufstieg der Rechten geführt hätte.

Identitätspolitik ist politisches Handeln, bei dem je eine spezifische Gruppe von Menschen mit ihren Bedürfnissen und Besonderheiten im Mittelpunkt steht, also deren Kampf um individuelle Rechte und Anerkennung. Die meisten Linksparteien hätten in den vergangenen Jahrzehnten ihre Strategien darauf fokussiert und dabei die wachsende ökonomische Ungleichheit, den Klassenkampf, vernachlässigt, meint Fukuyama. Sie hätten sich auf immer kleinere Gruppen konzentriert und dabei die große Gruppe der wirtschaftlich Ausgebeuteten vernachlässigt. Die Folge sei ein demokratiegefährdender Verlust von Redefreiheit, eine "politische Korrektheit", die zu Ausgrenzung, nicht zu Inklusion führe.

Doch schließen sich soziale Gerechtigkeit und der Kampf um kulturelle Anerkennung Einzelner tatsächlich aus? Die Journalistin Lea Susemichel und der Soziologe Jens Kastner verneinen das. Auch sie haben ein Buch zur Debatte beigesteuert. In "Identitätspolitiken" zeichnen sie die Geschichte und Gegenwart dieser politischen Positionen nach. Und diese Geschichte beginne nicht erst mit der Globalisierung oder der 68er-Bewegung. Schon bei der Arbeiterbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der wichtigsten Instanz im Kampf gegen soziale Ungleichheit, handelte es sich um eine identitätspolitische Bewegung. Auch hier ging es darum, die Einzelnen über ihre Klassenposition zu identifizieren, argumentieren Susemichel und Kastner, und so eine kollektive Identität zu schaffen.

Ist identitätspolitische Kritik nun Stärke oder Schwäche linker Bewegungen? Wird soziale Ungleichheit tatsächlich zu Gunsten kultureller Differenzen übersehen? Können Anerkennung und politisch korrekte Sprache demokratische Grundwerte gefährden? Und wie steht es um die Solidarität in diesen identitätspolitischen Debatten?

Über diese Fragen spricht Marlene Nowotny mit Lea Susemichel und Jens Kastner und die Hörer*innen sind wie immer herzlich eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen.

Unter 0800 22 69 79 können Sie live und kostenlos aus ganz Österreich mitreden oder Sie schreiben ein E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Das Buch "Identitätspolitiken. Konzepte und Kritiken in Geschichte und Gegenwart der Linken" von Lea Susemichel und Jens Kastner ist im Unrast Verlag erschienen.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Urheber/Urheberin: Randy Newman
Titel: It's Money That I Love
Ausführender/Ausführende: Randy Newman
Länge: 02:44 min
Label: Universal

Urheber/Urheberin: Randy Newman
Titel: Political Science
Ausführender/Ausführende: Randy Newman
Länge: 01:54 min
Label: Universal

Urheber/Urheberin: Randy Newman
Titel: The Great Nations of Europe
Ausführender/Ausführende: Randy Newman
Länge: 02:28 min
Label: Universal

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