Joseph Beuys

AP/MSCH

Gedanken für den Tag

Hubert Gaisbauer über Joseph Beuys

"Ich bin der Narr, der Idiot mit dem Filzhut". Anlässlich des 100. Geburtstages des Aktionskünstlers und Naturliebhabers erinnert der Kulturpublizist Hubert Gaisbauer an Joseph Beuys und dessen Aktualität

Joseph Beuys erzählt, dass er als Kind wie ein Hirtenjunge umhergelaufen sei, mit einem gekrümmten Hirtenstab und einer fantasierten Herde. Er beobachtete Tiere und untersuchte Pflanzen und Mineralien; sie erschienen ihm geistig, ja spirituell aufgeladen. Er versucht, mit ihnen zu kommunizieren. Der Mensch steht, so Beuys, "auch im Liebesbezug zu allen anderen Gegebenheiten der Welt, zu den Mineralien, zu den Pflanzen, zu den Sternen, zu den Tieren: wenn sich der Mensch in diese Natur hinein versenkt, sieht er sich selbst."

Sprechen mit der Natur - manche Assoziation stellt sich ein. Joseph Beuys und Franz von Assisi zum Beispiel. Der eine hat den Wolf von Gubbio gezähmt und den Vögeln gepredigt, der andere hat sich tagelang mit einem Kojoten zusammensperren lassen. Für verrückt hat man sie beide erklärt.

Auch am Abend des 26. November 1965 sperrte sich Joseph Beuys in einer Galerie in Düsseldorf ein. Er trug seine Anglerweste; den Hut hatte er abgenommen, Kopf und Gesicht sind mit Honig und Goldstaub bestrichen und mit Blattgold belegt. Zuschauer konnten an der nun folgenden Aktion nur durch ein Schaufenster von außen teilnehmen. Beuys hält einen toten Hasen im Arm. Ein Symbol der Verletzlichkeit jeglichen Lebens. Mit dem Hasen im Arm wanderte er in der Galerie von Bild zu Bild. Der Mensch, die Kunst und ein totes Tier. Er schreit, singt und murmelte dem Hasen Erklärungen seiner Kunst ins Ohr. Erst Stunden später wurde das ratlose Publikum in die Galerie eingelassen. Da saß Beuys wie eine Pietà auf einem Hocker - mit seinem Hasen im Arm - schweigend und vom Publikum abgewandt.

"Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt" - mit diesem Titel ging die Aktion in die Kunstgeschichte des Abendlandes ein.

Menschen töten nicht nur Leben, sondern auch Lebensräume, Böden, Wälder, Lebensläufe der Natur. Nach der Hasenaktion entstehen folgerichtig die sogenannten "Hasengräber". Gepresste Abfallberge, Müll, wie er inzwischen unsere Welt überwuchert. Darunter unsichtbar der Tod. Beuys hat auch nicht abgeschickte Briefe aus seiner schweren Lebenskrise Mitte der 50er-Jahre in diesen Abfall gepackt und sie im "Hasengrab V" mit begraben.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Gordon Jacob/1895 - 1984
Album: Michala Petri - Die moderne Blockflöte
* Tempo di menuetto - 2.Satz (00:02:33)
Titel: Sonatina für Alt-Blockflöte und Cembalo
Solist/Solistin: Michala Petri /Flöte
Solist/Solistin: Hanne Petri /Cembalo
Länge: 02:33 min
Label: RCA RD 87946

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