August Schmölzer über kleine Wunder

26. Juni 2021, 06:56

Als ich vor einiger Zeit einen ausgedehnten Morgenspaziergang in den nahen Wald unternahm, wurde ich auf ein kleines Vogerl, das geschwächt am Waldrand im Gras herumflatterte, aufmerksam.

Es war offensichtlich aus seinem Nest gefallen, konnte noch nicht fliegen. Seine Eltern drehten aufgeregt zwitschernd über ihm ihre Kreise. Waren es Amseln? Ich fing das Vogerl, was nicht schwer war, und spürte sein kleines Herz rasen in meiner Hand. Es sperrte seinen gelben Schnabel weit auf und schrie. Es versuchte sich mit seinen halbnackten, kleinen Flügeln aus dem Hand-Gefängnis zu befreien. Die beiden Elternvögel flogen mir immer wieder knapp über den Kopf und schimpften.

Ringsum sah ich kein Nest in Bäumen und Sträuchern, es hätte auch nichts geholfen, das wusste ich. Das kleine Wesen wäre nicht mehr im Nest zu halten gewesen. So setzte ich es schweren Herzens wieder ins Gras, in der Hoffnung, dass die Eltern es vielleicht füttern würden. Ich ahnte, dass dies nicht passierte, dass es hilflos sich selbst, oder irgendwelchem Raubzeugs überlassen war. Doch was sollte ich anderes machen?

Den ganzen Tag über hatte ich Stress und Wichtiges zu erledigen und doch kam mir dabei immer wieder dieses kleine Wesen in den Sinn. Am nächsten Morgen suchte ich den Platz noch einmal auf ... da lag es tot im Laub, das Ungeziefer begann schon mit seiner Arbeit und seine Eltern waren verschwunden.

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Gestaltung

• Alexandra Mantler