Zwischenruf

Herwig Sturm über Kärnten

Der emeritierte Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich erzählt Geschichten von Verständigung und Versöhnung

Fast täglich schwimme ich im Ossiachersee. Das Wasser ist weich und warm, Berghänge in dunklem Grün umarmen mich, und vom Himmel grüßen die Sonne und die Farbtupfen der Paragleiter, die von der Gerlitzen herunterschweben. Kärnten.

Das Land ist reich an Zeugen seiner Geschichte: Man findet Reste des Norischen Reiches der Kelten und eindrucksvolle Ausgrabungen aus der Zeit der Römer. Mit ihnen kam das Christentum von Aquileja herauf. Im ausgehenden 6. Jh. sind slawische Stämme eingewandert und haben ein Fürstentum gegründet. Der Fürstenstein bei Karnburg sowie viele Berg-, Fluss- und Ortsnamen zeugen davon. Mitte des 8. Jahrhunderts haben die Bayern das Land besiedelt und die slawische Volksgruppe langsam zurückgedrängt bis auf Reste im Süden.

Wer heute zwischen der Drau und den Karawanken durch das Land fährt, stößt immer wieder auf zweisprachige Ortstafeln, Zeugen einer langwierigen Geschichte. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es Versuche, Südkärnten einem slawischen Großreich einzugliedern. Dagegen wurde der sogenannte Kärntner Abwehrkampf geführt. In der Volksabstimmung von 1920 hat dann die Mehrheit für die Einheit des Landes entschieden. Seither gab es aber immer wieder Versuche, die Rechte der slowenischen Volksgruppe zu beschneiden und sie zu assimilieren. Eine Kärntner Konsensgruppe hat endlich eine Einigung erarbeitet, und vor zehn Jahren wurde dieser Konflikt einvernehmlich beendet. Anfang Juli wurde dieses Jubiläum in einem Festakt gefeiert, als bleibender Auftrag zu Verständigung und Versöhnung auch über unsere Grenzen hinaus.

Eine weitere Besonderheit Kärntens ist die Wirkungsgeschichte der Reformation. Die Gedanken und Schriften Luthers sind auch hier begeistert aufgenommen worden. Villach hat sich als erste Stadt der Reformbewegung geöffnet, in Klagenfurt hat sie ihre Hochblüte erfahren. Die Landstände haben dort ihr Regierungsgebäude, das Landhaus, errichtet, dazu eine Kirche mit Spital, der heutige Dom, und eine Hohe Schule, Vorläuferin der Universität.

Erzherzog Ferdinand II., 1596 als Landesfürst eingesetzt, hat dieser Entwicklung ein bitteres Ende bereitet und radikal die Gegenreformation durchgeführt. Wer sich nicht zum alten, romtreuen Glauben bekehren wollte musste auswandern oder in den Untergrund gehen. Der Besitz einer Bibel war verboten, die Schriften Luthers in Acht und Bann, der Hunger danach aber groß. Bibelschmuggler brachten Bibeln, Predigt- und Gebetbücher heimlich und unter Lebensgefahr ins Land.

In Erinnerung daran hat die evangelische Kirche einen Weitwanderweg geschaffen, den "Weg des Buches", der von Passau bis Triest führt, auch durch Kärnten. Dieser Weg ist beschildert und durch einen Führer samt Bibeltexten gut erschlossen. So können Wanderer der Sehnsucht nach Gottes Wort nachspüren und eine schmerzvolle Geschichte verwandern in ein tolerantes und friedliches Zusammenleben.

Was wäre Kärnten ohne seine Lieder; ich schätze sie sehr, denn sie bringen den Zauber dieses Landes und die Gefühle seiner Bewohnerinnen und Bewohner in Einklang. Die Versöhnung zwischen den Volksgruppen und das Wohlwollen unter den Konfessionen ist ein neues Lied, setzt Kräfte frei und macht Hoffnung. Das wäre doch ein guter Klang für jedes Land und für Europa.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Volksweise
Bearbeiter/Bearbeiterin: Karl Schager
Album: LASS DEIN STIMM VOR FREUDE KLINGEN - ALPENLÄNDISCHES ADVENT- UND WEIHNACHTSSINGEN MIT GRUPPEN AUS SÜDTIROL KÄRNTEN UND SALZBURG
Titel: Hirtentanz
Ausführende: Jauntaler Streich
Leitung: Karl Schager
Länge: 01:51 min
Label: MSC Media MM B3858BM

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