Schreiende Frau in Kuba

AP/ISMAEL FRANCISCO

Punkt eins

Kuba - zwischen Projektion und sozialer Wirklichkeit

Eine desillusionierte Gesellschaft ringt um ihr materielles Überleben und um ihre Identität.
Gast: Dr. Manfred Krenn, Soziologe mit langjähriger Forschungs- und Lehrtätigkeit.
Moderation: Andreas Obrecht.
Anrufe kostenlos aus ganz Österreich unter 0800 22 69 79
E-Mails an punkteins(at)orf.at

Mit 11. Juli beginnend, kam es in Kuba landesweit zu den heftigsten Protesten in der jahrzehntelangen Geschichte des revolutionären Staates. Anfang dieses Monats verkündete die Regierung neue Wirtschaftsreformen - so etwa werden private Unternehmensgründungen und ausländische Investitionen erleichtert und auch privater Großhandel wird ermöglicht.

Nach 30 Jahren Mangelwirtschaft, zudem geschwächt durch die Corona-Pandemie und den dadurch bedingten Wegfall der Devisen aus dem Tourismus, ist die kubanische Gesellschaft desillusioniert und - wie der Soziologe und Kuba-Kenner Manfred Krenn konstatiert - auch zutiefst mental zerrüttet. Obgleich das Bildungs- und Gesundheitssystem für ein so genanntes Entwicklungsland nach wie vor vorbildlich ist, charakterisieren Korruption, Wertezerfall, Armut bis hin zu Mangelernährung und Zukunftsvergessenheit den kubanischen Alltag.

Was ist geblieben von den revolutionären und utopischen Träumen, die für viele Menschen lange Zeit eine Projektionsfläche abgegeben haben und auch im Zuge der Dekolonialisierung des globalen Südens politische Impulse geliefert haben?

In seinem Buch "Die Haare des Kaiman. Kuba - Nahaufnahmen einer desillusionierten Gesellschaft" analysiert Manfred Krenn, der jahrelang Kuba bereist und auf der Karibik-Insel auch gelebt hat, die widersprüchlichen gesellschaftlichen Entwicklungen zwischen Revolutionsrhetorik und harscher sozialer Wirklichkeit, zwischen verschärften US-Sanktionen und neuen Wirtschaftsreformen. Entstanden ist ein analytisch, aber auch emotional vertieftes Bild eines Landes, das seit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums seine Identität neu zu definieren versucht.
Manfred Krenn tritt für eine Soziologie ein, deren analytischer Blick hilft, die Illusionen, die sich Menschen und Gesellschaften über sich selbst machen, zu demaskieren und vor dem Hintergrund eines kritischen Denkens zu überwinden. Denn nur dort, wo die Illusionen enden, beginnt die Möglichkeit, anders zu handeln - im Individuellen und im Gesellschaftlichen, sagt er. Manfred Krenn, dessen Kuba-Buch dieser Intention folgt, ist zu Gast bei Andreas Obrecht und die Hörer*innen sind wie immer herzlich eingeladen, sich an dem Gespräch zu beteiligen: unter 0800 22 69 79 während der Sendung oder unter punkteins(at)orf.at

Welche Erfahrungen haben Sie als Reisender oder Touristin mit der Karibik-Insel gemacht? Welche romantischen Bilder und gesellschaftspolitischen Vorstellungen werden anhand der kubanischen Wirklichkeit konterkariert? Warum waren viele Menschen von den Führungspersönlichkeiten der kubanischen Revolution - allen voran Fidel Castro und Che Guevara - so fasziniert?

Service

Buch:
Manfred Krenn (2019): Die Haare des Kaiman. Kuba - Nahaufnahmen einer
desillusionierten Gesellschaft. Sonderzahl Verlag Wien

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Moneda dura
Titel: Mala Leche (Remasterizado)
Alma sin bolsillos (davon 15 Sek unterlegt)
Ausführende: Moneda dura
Länge: 02:35 min
Label: EGREM

Komponist/Komponistin: Enrique Ferrer
Komponist/Komponistin: Dayán Abad
Komponist/Komponistin: Equis Alfonso
Komponist/Komponistin: Jose Luis Garrido
Titel: Habana Blues (davon 19 Sekunden unterlegt)
Ausführende: Enrique Ferrer, Dayán Abad, Equis Alfonso, lola Román, Tony Abad
Länge: 02:38 min
Label: DRO

Komponist/Komponistin: Raúl Paz
Titel: Aire (19 Sekunden unterlegt)
Ausführende: Raúl Paz
Länge: 02:00 min
Label: naive

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