Veronika Prüller-Jagenteufel über Einsamkeit

31. August 2021, 06:56

Kennen Sie Einsamkeit? Sind Sie manchmal einsam? Und ich meine nicht das Gefühl, bei sich selbst und mit sich allein zufrieden zu sein, sondern ich meine die böse beißende Einsamkeit, das Gefühl, von der Welt abgeschnitten zu sein, abgehängt und nicht zugehörig, einsam und übriggeblieben.

Forschungen zeigen, dass diese Gefühlslage in unserer Gesellschaft immer öfter vorkommt. Einsamkeit ist eine der dunklen Schattenseiten von Autonomie und Individualismus. In einer Gesellschaft, die Freiheit in der Unverbindlichkeit sucht, finden sich vermehrt Einsame. Und das sind nicht nur Menschen, die allein sind.

Gaby hat einen Mann und zwei Kinder. Ihre Große geht in den Kindergarten und der Kleine ist noch ein Säugling. Ihr Mann arbeitet für einen Lieferservice und ist seit Corona noch mehr unterwegs als früher und daheim noch erschöpfter als früher. Und besonders gesprächig war er noch nie.

Corona hat es für Gaby leichter und schwerer zugleich gemacht. Schwerer, weil sie den Kontakt zu den meisten Bekannten verloren hat, und leichter, weil sie sich mit den wenigen Verbliebenen zum Spazierengehen treffen konnte. Das Geld ist bei ihr nämlich einfach zu knapp, um im Kaffeehaus zusammenzukommen.

In den langen Stunden, die sie mit ihrem Baby allein ist, meldet sich immer öfter die Angst bei ihr. Was soll aus ihr werden? Die Stimmung in der Beziehung wird immer gereizter. Wenn da wenigstens irgendjemand in ihrer Nähe wäre, mit dem sie offen reden könnte.

Neulich ist sie an der Kirche vorbeigekommen; da waren im Vorgarten Tische und Bänke aufgestellt und der Kaffee war gratis. Dort könnte ich wieder hingehen, denkt Gaby. Die eine Frau, die den Kaffee nachgeschenkt hat, hat sie an ihre Oma erinnert. Vielleicht hört die mir zu?

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• Alexandra Mantler