Wahrheit und Fälschung - die doppelte Malkunst

3. September 2021, 13:00

Jan Vermeer hat um 1664, 1668 oder 1673 - genauer weiß man es nicht - ein grandioses Gemälde geschaffen: "Die Malkunst" ist seit 1952 im Kunsthistorischen Museum in Wien zu sehen. Der Künstler hat das Bild zu Lebzeiten nicht verkauft, wahrscheinlich diente es in seinem Atelier als Schaustück für potenzielle Käufer. Nach seinem Tod wurde das Bild 1677 bei einer Auktion versteigert, dann verlieren sich seine Spuren. Die Provenienz des Gemäldes ist erst ab Ende des 18. Jahrhunderts wieder bekannt und noch im 19. Jahrhundert hielten die Sammler es für ein Werk eines anderen niederländischen Malers. Erst 1860 erkannte der Direktor der Königlichen Gemäldegalerie Berlin das Meisterwerk Vermeers.

Reinhard Tötschinger, ehemals Grafiker, Schauspieler und Regisseur, arbeitet heute als Psychotherapeut und Organisationsberater, schreibt Theaterstücke, Erzählungen und Essays und hat soeben sein Romandebüt vorgelegt. In "Rochade" inszeniert er ein humorvolles und kenntnisreiches Verwirrspiel um das große Meisterwerk, in dem es um die Frage nach Wahrheit und Illusion, Fiktion und Wirklichkeit geht. Das Lieblingsgemälde Adolf Hitlers, das dieser 1940 um eine erkleckliche Summe dem Grafen Czernin abkaufen ließ, erregt das Interesse eines jungen aufstrebenden Politikers, der das Bild in viel zu kurzer Zeit restauriert sehen will. Die Hauptfigur des Romans, ein erfahrener Restaurator, steht vor einem Dilemma, denn einerseits reicht die Zeit nicht, andererseits will er "Die Malkunst" von der Politik fernhalten. Kann er, soll er, darf er dem Auftraggeber eine Kopie oder Fälschung unterjubeln und was, wenn sein Komplott auffliegt?

Autor Reinhard Tötschinger ist zu Gast bei Andreas Obrecht und erörtert Fragen nach der Authentizität in Kunst und Leben, nach den Grenzen von Illusion und Wahrheit, nach der Raschlebigkeit einer Zeit, in der immer schneller vermeintliche Identität erzeugt werden soll.

Wie immer freut sich die Redaktion über Ihre Teilnahme an dem Gespräch unter 0800 22 69 79, während der Sendung, oder per E-Mail an punkteins@orf.at: Mit welchem Blick schauen wir heute auf die großen Meisterwerke vergangener Jahrhunderte, was sehen wir in ihnen? Woran erkennen wir das Authentische in der Kunst und im wirklichen Leben? Welche Illusionen machen wir uns von uns selbst, damit wir uns - gleich einem großen Kunstwerk - schätzen und auch vor anderen schützen können? Was unterscheidet eine Kopie oder Fälschung vom Original - in der Kunst und im wirklichen Leben? Birgt eine Zeit, die sich stark an ökonomischen Erfordernissen orientiert und in der alles sehr schnell gehen muss, die Gefahr, dass wir Fiktion mit Wirklichkeit verwechseln?

Service

Reinhard Tötschinger, "Rochade", Picus Verlag Wien 2021

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