Medizin und Gesundheit

Immer der Nase nach - Die vielen Facetten des Geruchssinns

Sonnencreme, Vanillekipferl, frisch gemähtes Gras, Herbstlaub. Warum rufen gewisse Gerüche Erinnerungen und damit verbundene Emotionen hervor? Das ist nur eine von vielen Fragen, die wir heute klären. Wir möchten uns nämlich dem ältesten und am meisten unterschätzen Sinn widmen: dem Geruchssinn. Der Geruchssinn spielt in beinahe allen Lebensbereichen eine Rolle. Er bewahrt uns nicht nur vor Gefahren, sondern beeinflusst in hohem Maße unser Sozialleben. Die menschliche Nase kann unzählige Gerüche unterscheiden. Und trotzdem wird unserem olfaktorischen System im Alltag keine große Beachtung geschenkt. Eine Umfrage ergab: von allen Sinnen würden wir am ehesten auf den Geruchssinn verzichten. Nach dieser Sendung werden Sie anders denken!

Anders als alle anderen Sinne

Eine der wichtigsten Personen der internationalen Geruchsforschung ist der Mediziner und Neurowissenschaftler Prof. Dr. Johannes Frasnelli. Sein Buch "Wir riechen besser als wir denken" wurde als Wissenschaftsbuch des Jahres 2020 ausgezeichnet. Er berichtet darüber, dass der Geruchssinn einige Besonderheiten im Vergleich zu allen anderen Sinnen aufweist: Die Nervenimpulse werden von den Geruchsrezeptoren nicht im Thalamus verarbeitet. Diese zentrale Schaltstelle wird auch als Tor zum Bewusstsein bezeichnet. Daher bleiben Geruchsreize meist unbewusst. Des Weiteren werden Gerüche im gleichen Teil des Gehirns verarbeitet, der für Emotionen zuständig ist: im limbischen System.

Geruch beeinflusst Freundschaft, Beziehung und Sexualität

Die zweite Hauptaufgabe des Geruchssinns - neben der Warnung vor Gefahren - ist die soziale Kommunikation. Die meisten Zusammenhänge sind uns nicht bewusst. Hätten Sie gewusst, dass es Menschen mit einem guten Geruchssinn leichter fällt, Freundschaften zu pflegen? Oder dass Frauen riechen können, welcher Mann genetisch gut zu ihnen passt und sie diesen Geruch daher anziehend finden? Prof.in Dr.in Ilona Croy ist Neuropsychologin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und beschäftigt sich mit diesen Phänomenen. Sie hat unter anderem einige Studien zum Thema Riechvermögen und Sexualität durchgeführt. Und dabei zum Beispiel herausgefunden: Männer mit Riechstörungen haben weniger sexuelle Kontakte.

Wenn die Nase streikt

Seit Corona wissen wir es alle: Man kann seinen Geruchssinn auch verlieren, von einen Tag auf den anderen. Und das ist äußerst unangenehm, schließlich bedeutet das auch in den meisten Fällen eine starke Beeinträchtigung des Geschmackssinns. Nicht selten werden betroffene Menschen depressiv, weil sie auch ihre Kinder und Partner nicht mehr riechen können. Neben Viren und Allergien können auch Schädel-Hirn-Traumen zu Riechstörungen führen. Ein interessantes und wirksames Behandlungskonzept ist das Riechtraining. Mehr dazu in unserer Sendung vom HNO-Arzt Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Christian A Müller.

Verändertes Riechvermögen bei Depression und Schizophrenie

Prof. Dr. Thomas Hummel ist Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie und leitet das Interdisziplinäre Zentrum für Riechen und Schmecken an der HNO-Klinik der Technischen Universität Dresden. Ein Forschungsschwerpunkt des Wissenschaftlers sind krankheitsbedingte Veränderungen der chemischen Sinne. Das Team rund um Thomas Hummel konnte beweisen, dass Menschen mit Depressionen Gerüche erst bei stärkerer Intensität wahrnehmen. Der Geruchssinn ist auch bei Menschen mit Schizophrenie beeinträchtigt, aber auf eine andere Art und Weise. Eine Studie von Thomas Hummel und Kollegen zeigte: Zwar werden Gerüche von schizophrenen Probanden im Vergleich zu Menschen mit Depressionen gut wahrgenommen, die Erkennung und Unterscheidung dieser dürfte allerdings nicht problemlos funktionieren.

Beruflich auf die Nase setzen

Der einzige Parfümeur Österreichs kreiert seit 35 Jahren maßgeschneiderte Düfte für Privatpersonen und Unternehmen. Gelernt hat er seine Kunst in Indien, mit 22 Jahren verschlug es ihn nach Europa, bis er schlussendlich in Wien landete. Sein Credo: "Jeder Duft durchweht das Universum nur ein einziges Mal". Diesen individuellen Duft möchte er mit seinen personalisierten Kreationen optimal ergänzen.

Moderation: Dr. Christoph Leprich
Gestaltung: Lydia Sprinzl, MA und Mag.a Nora Kirchschlager
Redaktion: Dr. Christoph Leprich und Mag.a Nora Kirchschlager

Service

Interviewpartner/innen:

Prof. Dr. Johannes Frasnelli
Mediziner, Neurowissenschaftler, Hochschullehrer Universität Québec in Kanada
E-Mail
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Prof.in Dr.in Ilona Croy
Neuropsychologin Friedrich-Schiller-Universität Jena
Institut für Psychologie
Am Steiger 3 Haus 1
D-07743 Jena
Tel.: +49 3641 9-45141
E-Mail
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Prof. Dr. Thomas Hummel
Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie, Leiter Interdisziplinäres Zentrum für Riechen und Schmecken HNO-Klinik der Technischen Universität Dresden
Fetscherstr. 74 Haus 5
D-01307 Dresden
E-Mail
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Romana Ulbinger
Volksschullehrerin in Wien
Seit einer COVID-19 Erkrankung von Riechstörungen betroffen

Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Christian A Müller
Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten
MedUni Wien
Leiter der Spezialambulanz für Riech- und Schmeckstörungen
Währinger Gürtel 18-20,
1090 Wien
0680/3119599
E-Mail
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Yogesh Kumar
Parfümeur
Kirchengasse 24
A-1070 Wien
Tel.: +43 1 94 325 94
E-Mail
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Infolinks:

Standard.at: Neurowissenschaftler: "Infekte haben oft einen ganz typischen Geruch"
SWR 2: Liebe und Geruch: Wirkung des "Parfum naturel"
Wissenschaft aktuell: Fehlender Geruchssinn beeinträchtigt sexuelle Beziehungen
Frankfurter Rundschau: Angst steigt in die Nase
Spektrum.de: Wie Geruchssinn und psychische Störungen zusammenhängen
Standard.at: Was ein Leben ohne Geruchssinn bedeutet
Presse.at: Beim Parfumeur auf der Couch

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