Ein Gehirn-Computer-Interface

AFP/JEAN-PIERRE CLATOT

Medizin und Gesundheit

Wunderwelt der Biomedizinischen Technik


Am 30.9. und 1.10. findet an der TU Graz die Jubiläumstagung der Österreichischen Gesellschaft für Biomedizinische Technik statt. Gefeiert wird 50 Jahre biomedizinische Technik in Lehre und Forschung an der TU Graz. Wir haben uns die Tagung zum Anlass genommen, einen genaueren Blick auf dieses umfangreiche Forschungsgebiet zu werden. In unserer Sendung stellen drei unserer Ansicht nach besonders spektakuläre Teilbereiche vor.

Eine Maschine, damit das Herz weiterschlägt

Der Einsatz von Technik in der Medizin bedeutet häufig nichts Geringeres als das Leben vieler Menschen zu retten. Bereits seit rund 50 Jahren ist es möglich, Menschen mit einem stark geschwächten Herzen (etwa in Folge eines großen Herzinfarkts) mit einem Kunstherz zu versehen. An Faszination hat diese Errungenschaft aber bis heute nicht verloren. Ein "totales Kunstherz" wird heutzutage nur ganz selten implantiert. Der überwiegende Teil der Patientinnen und Patienten erhält ein Herz-Unterstützungssystem, meistens ein "Left Ventricular Assist Device" oder LVAD. Dieses unterstützt und entlastet die linke Herzkammer und dient zur Überbrückung, bis ein geeignetes Spenderorgan zur Herztransplantation zur Verfügung steht. Frühere Herz-Unterstützungssysteme konnten nur über einen relativ kurzen Zeitraum verwendet werden und führten häufig zu Schlaganfällen. Die modernen Rotationspumpen sind um ein Vielfaches kleiner und das Komplikationsrisiko ist stark gesunken. Manche Personen leben noch nach 25 Jahren mit dem künstlichen Transplantat, sagt Assoc. Univ.-Prof. Heinrich Schima PhD vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MedUni Wien.
Er forscht seit 35 Jahren zum Thema Kunstherz. Heinrich Schima ist auch stellvertretender Vorsitzender der Internationalen Vereinigung für Künstliche Organe. Was ist auf diesem Gebiet bereits möglich und worauf werden wir wohl noch ein wenig warten müssen? Heinrich Schima wird in unserer Sendung berichten.

Dem Krebs seine Geheimnisse entlocken

Ein Durchbruch in der Krebsforschung gelang vor wenigen Monaten an der TU Graz. Und zwar dem Team von Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Christian Baumgartner. Es gelang das erste digitale Krebsmodell zu entwickeln.
Es wurde die Lungenkrebszell-Linie A549 verwendet. An diesen Zellen wird weltweit seit Jahrzehnten geforscht und es gibt daher viel Wissen über dieses Adenokarzinom.
Nun ist es möglich anhand dieses Computer-Modells bestimmte Tests durchzuführen - zum Beispiel die Wirkung einzelner Wirkstoffe zu errechnen.
Es geht darum bestimmte Ionen-Kanäle zu beeinflussen und dann zu überprüfen, wie sich die Membranspannung in diesen Krebszellen verändert. Bei günstigem Verlauf kann das Krebszellwachstum gestoppt- oder sogar der programmierte Zelltod herbeigeführt werden.

Die Zukunft hat bereits begonnen

Und wieder einmal war die Serie "Raumschiff Enterprise" ihrer Zeit voraus. In einer Folge aus dem Jahre 1964 kann ein vollständig gelähmter Mann, mittels eines damals nur als Idee existierenden Brain-Computer-Interface mit anderen kommunizieren. Er schafft es durch Gedankenkraft ein Lichtsignal aufblinken zu lassen. Einmaliges Blinken bedeutete "Ja", zweimaliges "Nein".
Damals nur die Vision eines Drehbuchautors. Für Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Gernot R. Müller-Putz seine tägliche Arbeit. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Technologie des Brain-Computer Interface (BCI). Zu Deutsch Gehirn-Computer-Schnittstelle.
Damit können Personen durch absichtlich herbeigeführte Veränderungen ihrer Gehirnaktivität eine Computeranwendung steuern.
Das erschafft eine neue Welt von Möglichkeiten für Menschen mit einer Querschnittlähmung, mit neurodegenerativen Erkrankungen oder nach einem Schlaganfall. Sie können wieder Gliedmaßen bewegen oder mit der Umwelt kommunizieren.

Brain-Computer-Interface für den Alltag

Jetzt wird es noch abenteuerlicher .
Denn diese Systeme werden in Zukunft auch für Gesunde verwendet werden. Um bestimmte Dinge des Alltags zu verbessern: Mit dem BCI kann die geistige Anspannung im Gehirn gemessen werden. Für die Automobil-Industrie zum Beispiel ist interessant: Wie aufmerksam/abgelenkt ist der Fahrer? Muss eventuell ein Assistenzsystem eingreifen?

Auch für normale Arbeitsprozesse wird diese Technologie Bedeutung erlangen. Denn es kann gemessen werden, ob sich eine Person "im Flow" befindet, also besonders produktiv arbeitet. Um allfällige Störungen zu vermeiden können das Telefon und das Mail ausgeschaltet werden - klingt etwas spooky.


Gernot R. Müller-Putz wird über sein Forschungsgebiet erzählen.

Moderation: Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger
Sendungsvorbereitung: Dr. Christoph Leprich und Mag.a Nora Kirchschlager

Service

Sendungsgast im Funkhaus Wien:

Assoc. Univ.-Prof. Heinrich Schima PhD
Medizinische Universität Wien
Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik
Leiter der Forschungsgruppe Kardiovaskuläre Medizintechnik
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien
+43 1 40400 39820
E-Mail
Homepage

Per Telefon zugeschaltet:

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Christian Baumgartner
TU Graz
Leiter des Instituts für Health Care Engineering mit Europaprüfstelle für Medizinprodukte
Stremayrgasse 16/II
8010 Graz
Tel.: +43 (0) 316 / 873 - 7377
E-Mail
Homepage

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Gernot R. Müller-Putz
TU Graz
Leiter des Instituts für Neurotechnologie
Stremayrgasse 16/IV
8010 Graz
+43 316 873 30700
E-Mail
Homepage

Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

TU Graz - Fakultät für Informatik und Biomedizinische Technik
Österreichische Gesellschaft für Biomedizinische Technik
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Studium an österr. Universitäten
Studium an österr. Fachhochschulen
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