nachdenklich schauende Christine Lavant

ERNST PETER PROKOP

Ö1 Hörspiel

Christine Lavants zeitlose Parabel über die Besessenheit

DAS WECHSELBÄLGCHEN von Christine Lavant, Mit Sophie Rois, Musik: Franz Hautzinger, Matthias Loibner, Peter Rosmanith, Textbearbeitung: Julia Hahn und Peter Rosmanith, Regie: Peter Rosmanith, (ORF 2015).

Mit großer Eindringlichkeit, direkt, rau und zeitlos beschreibt Christine Lavant (1915 -1973) die Ausgrenzung einer Schwachen aus der Dorfgemeinschaft. Stoff und Motive schöpft Lavant aus der Volksüberlieferung, der (Kärntner) Zeit- und Sozialgeschichte und aus ihrer Biografie.

Die Sage vom Wechselbalg, dem von dämonischen Mächten untergeschobenen, missgestalteten und unersättlichen Kind, das dem Haus, in dem es lebt, Unglück bringt, ist an die 1.000 Jahre alt und in unzähligen Variationen in ganz Europa verbreitet. Sie dient Lavants Erzählung, die zwischen 1945 und 1949 geschrieben, aber erst 1998 veröffentlicht wurde, als Fundament.

Peter Rosmaniths Inszenierung mit Sophie Rois als Erzählerin zeigt die Universalität des Themas. Irrationalität und Abwehr des "Fremden", des von der Norm Abweichenden, gefährden die Basis zivilisierten Zusammenlebens - damals wie heute. "Das Wechselbälgchen" ist eine zeitlose Parabel über die Besessenheit. Besessenheit, wie sie nur wenige Jahre vor der Entstehung der Erzählung von den Nationalsozialisten, den deutschen und österreichischen, stattfand: Mit der Vernichtung "unwerten Lebens" (zit. Klaus Amann). Das Wechselbälgchen: "Weltliteratur aus dem Lavanttal" (Klaus Nüchtern, Falter).

Das Hörspiel wurde vom Publikum zum "Hörspiel des Jahres 2015" gewählt.

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