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Radiokolleg - Der Suez Kanal
Das teuerste Nadelöhr der Welt (1). Gestaltung: Monika Halkort
4. Oktober 2021, 09:30
Im März 2021 passiert, was in der immer rasanter getakteten Weltwirtschaft von Just-in-Time-Delivery und Real-Time-Supply Management eigentlich nicht vorgesehen ist. Der Großfrachter Ever-Green - eines der größten Transportschiffe der Welt - läuft mitten im Suezkanal auf Grund und blockiert 6 Tage lang den globalen Warenhandel. 6 Tage liegt der gesamte Schiffsverkehr in einer der wichtigsten Wasserstraßen lahm.
Mehr als 369 Schiffe sammeln sich hinter dem gekenterten Containerfrachter an, beladen mit Gütern im Wert von 10 Milliarden Dollar. Der Schaden für die Hafenverwaltung in Ägypten, sagen Wirtschaftsexperten, lag bei 14 -15 Millionen Dollar pro Tag. Es ist vielleicht kein Zufall, dass sich die Suez-Blockade ausgerechnet inmitten der COVID Krise ereignet. Die durch Lockdowns und globalen Reisebeschränkungen massiv entschleunigte Welt bekommt eine weitere unfreiwillige Nachdenkpause auferlegt.
Umwelt und Klimaexperten warnen bereits seit 2015, als der Kanal um eine zweite Zufahrtsstraße erweitert wurde, dass megalomanische Technologieprojekte wie Suez langfristig nicht aufrechtzuerhalten sein werden. Schon heute sind die ökologischen Folgen des Kanals kaum zu bewältigen. Seine Eröffnung in Jahr 1869 war nur durch einen massiven Kraftakt europäischer Ingenieure und Techniker möglich. Sie mussten eine gewaltsame Schneise durch die Landzunge zwischen Mittelmeer vom Roten Meer schlagen und die unterschiedliche Seehöhe der beiden Meere ausgleichen um eine direkte Seeverbindung zwischen Europa, Asien und Afrika herzustellen.
Damit war es zwar gelungen die Reisedauer für Militär und Handelsschiffe zwischen Europa und seinen Kolonien in Asien und Afrika um 2-6 Wochen zu verkürzen. Der Eingriff ging aber auch mit einer der größten Migrationsbewegungen von Meerestieren und Pflanzen in der Geschichte einher. Rund 400 neue Arten aus dem Indischen Ozean sind seitdem ins Mittelmeer gewandert, mit fatalen Folgen für die Überlebenschancen lokaler Ökosysteme und Spezien. Die Adria zählt heute weltweit zu den gefährdetsten Meeren der Welt. Die Schadstoffbelastung durch Abwasser, Schiffsunfälle und leakende Öltanker, die mit dem massiven Anstieg des Schiffverkehrs seit 1869 einhergegangen sind, haben das Artensterben noch weiter beschleunigt.
Diese ökologischen Eingriffe, sagt die Israelische Meeresbiologin Bella Galil, sind nicht mehr rückgängig zu machen. Der massive Anstieg des Schiffsverkehrs seit der Erweiterung des Kanals hat ein mobiles Aquarium für Spezien geschaffen, so Galil, das Küstengewässer bald unbewohnbar für Menschen machen wird. Vor diesem Hintergrund wirft das Radiokolleg einen Blick zurück in die Entstehungsgeschichte des Suezkanals und fragt ob mit der Seeblockade von 2021 nicht nur ein Schiff, sondern auch eine Ära von Technologischem Optimismus und logistischen Kontrollphantasien zu Ende gekommen ist.
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Literaturliste Suez Kanal:
Barak, On (2020): Powering empire. How coal made the Middle East and sparked global carbonization / On Barak. Oakland, California: University of California Press.
Cowen, Deborah (2014): The deadly life of logistics. Mapping the violence of global trade / Deborah Cowen. Minneapolis: University of Minnesota Press.
Gollasch, Stephan; Galil, Bella S.; Cohen, Andrew N. (2006): Bridging Divides. Maritime Canals as Invasion Corridors. Dordrecht: Springer Netherlands (Monographiae biologicae, v. 83). Available online at http://site.ebrary.com/lib/alltitles/docDetail.action?docID=10145302
Huber, Valeska (2013): Channelling mobilities. Migration and globalisation in the Suez Canal region and beyond, 1869-1914 / Valeska Huber. Cambridge, New York: Cambridge University Press. Available online at http://www.loc.gov/catdir/enhancements/fy1304/2012038173-b.html.
Khalili, Laleh (2020): Sinews of War and Trade. Shipping and Capitalism in the Arab Peninsula. London: Verso.
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