Dostojewski auf einem Buchcover

C.H. BECK

Gedanken für den Tag

"Kämpfer gegen das Nichts" - Zum 200. Geburtstag von Fjodor Michailowitsch Dostojewskij von Christian Rathner, Journalist und Filmemacher

Am 22. Dezember 1849 steht der Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewskij auf dem Semjonovskij Platz in St. Petersburg und hat den Tod vor Augen. Er ist 28 Jahre alt. Mit ihm sind 14 seiner Freunde und Kollegen da, alle in weißen Gewändern. Als Mitglieder eines gemäßigt revolutionären Zirkels, der "Petraschewzen", sind sie zum Tod verurteilt.

Fjodor Michailowitsch hat bei einem der Treffen einen Brief des Literaturkritikers Wissarion Belinskij vorgelesen, mit schweren Breitseiten gegen die Autokratie des Zaren und die Kirche. Die erste Dreiergruppe steht schon den Schützen gegenüber. Es ist die Zeit der Revolutionen in Europa. Das Regime ist nervös. Aber das kann keine Entschuldigung sein für diese völlig überzogene Strafe.

Doch es fällt kein Schuss. Am Höhepunkt dieses schlechten Theaters werden alle begnadigt und verbannt. Nach 10 Jahren Sibirien darf Dostojewskij wieder nach St. Petersburg zurück. Er kommt nicht als Revolutionär nach Hause, nicht als verbitterter Gegner der Zaren, sondern als obrigkeitstreuer Untertan. Als slawophiler Christ, als national-konservativer Russe.

Es gelingt ihm bald, an frühe literarische Erfolge anzuschließen. Zum Glück für sein Lesepublikum ist seine innere Wende vermutlich nicht ganz glatt verlaufen. Dem großen Kenner der russischen Seele wohnen viele Seelen in der Brust. An eine Frau, die ihm eine Bibel geschenkt hat, schreibt er, seine Sehnsucht nach dem Glauben sei umso stärker, je mehr Gegenbeweise er habe.

Menschen sind nicht einfach nur die, die sie sind. Sie sind auch die, die sie sein müssen oder sein wollen. Sie sind das, woran sie scheitern und das, was unvermutet aus ihnen herausbricht. Sie denken das eine und tun das andere. Sie widersprechen sich selbst. Und in all dem weicht Dostojewskij mit seiner atemberaubenden literarischen Kraft nicht von ihrer Seite.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Sergej Prokofieff/1891 - 1953
Bearbeiter/Bearbeiterin: Christopher Palmer /Zusammenstellung/1946 - 1995
Titel: KRIEG UND FRIEDEN / Symphonische Suite nach der Oper
* 3. Mazurka (00:02:56)
Orchester: Philharmonia Orchestra
Leitung: Neeme Järvi
Länge: 02:56 min
Label: Chandos CHAN 9096

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