Dostojewski auf einem Buchcover

C.H. BECK

Gedanken für den Tag

"Kämpfer gegen das Nichts" - Zum 200. Geburtstag von Fjodor Michailowitsch Dostojewskij von Christian Rathner, Journalist und Filmemacher

Ein junger Mann, blass, mit löchrigem Hut, schlurft über den St. Petersburger Heumarkt. Man sieht ihm an, dass er einen zentnerschweren Gedanken mit sich trägt. Der Mann heißt Rodion Raskolnikow, der 1866 erschienene Roman "Verbrechen und Strafe" oder "Schuld und Sühne", der Autor Fjodor Dostojewskij - und der Gedanke heißt Napoleon.

Raskolnikow, ein Jusstudent, hat einen Aufsatz veröffentlicht, indem er eine merkwürdige These vertritt. Er teilt die Menschen in zwei Kategorien, die gewöhnlichen und die außergewöhnlichen. Die Gewöhnlichen sind zum Gehorsam verpflichtet. Sie leben ihr kleines Leben und haben kein Recht, die Gesetze zu brechen. Die Außergewöhnlichen bringen Fortschritt und Neuerungen. Ihnen gestattet Raskolnikow die "Überschreitung gewisser Hindernisse". Die allermeisten Wohltäter und Führer der Menschheit, sagt er, hätten skrupellos Ströme von Menschenblut vergossen.

Einer von ihnen ist Napoleon. Und nun lautet die krude Logik des Rodion Raskolnikow: Napoleon darf töten, um zu erneuern. Also müsste er, Rodion, ein Napoleon werden, wenn er sich diese "Überschreitung gewisser Hindernisse" auch erlauben würde. Er plant den Mord an einer Pfandleiherin. Der Versuch, auf diese Weise einem erbärmlichen Leben zu entfliehen, schlägt fehl. Die Bluttat macht keinen Napoleon aus Raskolnikow. Aber das Gewissen martert ihn schauerlich.

Dostojewskijs fünf große Romane kreisen um Verbrechen, sind also Kriminalromane. Aber "Verbrechen und Strafe" beschreibt nicht die Wege der Polizei zur Aufklärung eines Falles, sondern das Ringen des Täters um Wahrheit. Was ein Siegeszug hätte werden sollen, endet als Leidensweg in die Verbannung, wie bei Dostojewskij selbst. Und mündet in eine Hinwendung zu Glauben und Reue. Jahrzehnte nach Raskolnikow wird Lenin sagen: Es gibt keine Revolution ohne Erschießungskommando.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Arthur Honegger/1892 - 1955
Vorlage: Fjodor Dostojewski/1821 - 1881
Album: ARTHUR HONEGGER: FILMMUSIK
* Generique - 1.Satz (00:01:09) - tw. 2x gespielt
Titel: Crime et chatiment - Suite aus der Musik zu dem Film nach Dostojewskis Roman "Schuld und Sühne"
Orchester: Symphonieorchester des Slowakischen Rundfunks Bratislava
Leitung: Adriano
Ausführender/Ausführende: Jacques Tchamkerten /Ondes Martenot
Länge: 01:09 min
Label: Marco Polo 8223466

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