Dostojewski auf einem Buchcover

C.H. BECK

Gedanken für den Tag

"Kämpfer gegen das Nichts" - Zum 200. Geburtstag von Fjodor Michailowitsch Dostojewskij von Christian Rathner, Journalist und Filmemacher

Sie sitzen im Gasthaus. Die Geschichte, die Iwan erzählt, soll seinen frommen Bruder Aljoscha provozieren. Es ist die berühmte "Legende vom Großinquisitor" und stammt aus dem letzten Roman Fjodor Michailowitsch Dostojewskijs: Die Brüder Karamasow.

Die Geschichte spielt zur Zeit der spanischen Inquisition, als Kirche und Staat gegen Ketzer vorgehen und die Scheiterhaufen der Autodafes brennen. Da kommt Christus zurück, tut ein Wunder - und wird umgehend verhaftet. In der Nacht steigt der Großinquisitor, ein 90-jähriger Mann, hinab in den Kerker, um mit dem Gefangenen zu sprechen.

Was bist du gekommen, uns zu stören, fragt der alte Mann. Christus hat den Menschen die Freiheit gebracht, sagt er: aber die Kirche habe in fünfzehnhundert Jahren gelernt: Nichts ist dem Menschen und der Gesellschaft je so unerträglich gewesen wie die Freiheit. Der Großinquisitor ist ein Großzyniker der Macht. "Die Menschen werden uns ihre Freiheit zu Füßen legen und zu uns sagen: ,Knechtet uns, aber macht uns satt.'

Jesus hat seinerzeit in der Wüste die Versuchungen des Satans zurückgewiesen und zugunsten der Freiheit auf Macht verzichtet. Diesen Fehler müsse die Kirche korrigieren. Christus hört ihm zu, bis zum Ende, bis der Inquisitor sagt: Morgen werde ich dich verbrennen. Die Provokation gelingt. Der fromme Aljoscha ist schockiert. Iwan ist auch der Autor eines Aufsatzes, der zu Beginn des Romans diskutiert wird. Dort wirft er der lateinischen Kirche vor, dass sie zum Staat verkommen sei. Und träumt von einem orthodoxen Russland, in dem umgekehrt der Staat zur Kirche wird, voll Milde gegen seine Untertanen.

Was hätte Dostojewskij heute, eineinhalb Jahrhunderte danach, dazu zu sagen? Am Ende küsst Christus den Großinquisitor auf seine neunzigjährigen blutleeren Lippen und erhält die Freiheit wieder. Freilich um den Preis, für immer zu verschwinden.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Sergej Prokofieff
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Sergej Prokofieff
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Valentin Katayev/1897-1986
Gesamttitel: SEMYON KOTKO / Oper in 5 Akten op.81 nach Valentins Katayevs Erzählung "Ich bin der Sohn des werktätigen Volkes" / konzertante LIVE Gesamtaufnahme von 1999 / 1.und 2.Akt
Titel: 1. Einleitung / Orchester (00:03:22)
Anderer Gesamttitel: SEMJON KOTKO
Leitung: Valery Gergiev
Orchester: Orchester des Kirov Theaters St.Petersburg
Solist/Solistin: Viktor Lutsiuk /Semjon Kotko, demobilisierter Soldat, Tenor
Solist/Solistin: Lyudmila Filatova /Semjons Mutter, Mezzosopran
Solist/Solistin: Olga Savova /Frosya, Semjons Schwester
Solist/Solistin: Gennady Bezzubenkov /Tkachenko, Feldwebel außer Dienst, Baß
Solist/Solistin: Yevgeny Nikitin /Remeniuk, Vorsitzender des Dorfsowjets und Kommandeur d.Partisanenbrigade, Baß
Solist/Solistin: Olga Markova Mikhailenko /Khivrya, Tkatschenkos Frau
Solist/Solistin: Tatiana Pavlovskaya /Sofya, Tkatschenkos Tochter
Solist/Solistin: Viktor Chernomortsev /Tsaryov, ein Matrose
Solist/Solistin: Ekaterina Solovieva /Lyubka, Zarjows Braut
Solist/Solistin: Evgeny Akimov /Mikola, ein junger Bursche
Solist/Solistin: Grigory Karasev /Ivasenko, der Dorfälteste
Solist/Solistin: Nikolai Gassiev /Arbeiter d.ehem.Gutsbesitzer Klembowski, Tenor
Solist/Solistin: Yuri Laptev /Von Wierhof, Oberleutnant d.deutschen Armee, Tenor
Solist/Solistin: Andrei Khramtsov /Deutscher Unteroffizier, Dt.Wachtmeister
Solist/Solistin: Vladimir Zhivopistev /Deutscher Dolmetscher, Tenor
Solist/Solistin: Andrei Khramtsov /Ein alter Mann
Solist/Solistin: Grigory Karasev /Ein alter Mann, Bariton
Solist/Solistin: Lyudmila Kasianenko /Eine Frau
Solist/Solistin: Lia Shevtsova /Eine Frau
Solist/Solistin: Zlata Bulycheva /Eine Frau
Solist/Solistin: Mikhail Nikanorov /Ein Bauer
Solist/Solistin: Vladimir Zhivopistev /Ein Bauer
Solist/Solistin: Fjodor Kuznetsov /Ein Bursche
Solist/Solistin: Mikhail Kit /Bandura Spieler
Solist/Solistin: Mikhail Petrenko /Ein Heiduck
Solist/Solistin: Viktor Vikhrov /Ein Heiduck
Chor: Chor des Kirov Theaters St.Petersburg
Choreinstudierung: Valery Borisov
Länge: 03:22 min
Label: Philips / ORF 4646052 (2 CD)

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