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Radiokolleg - Epilepsie: Feuerwerk im Kopf
Dem neurologischen Phänomen auf der Spur (2). Gestaltung: Daphne Hruby
30. November 2021, 09:30
"Es ist wie der Absturz eines Computers. Plötzlich wird alles ganz schwarz. Und wenn ich wieder aufwache, weiß ich weder wo ich bin, noch wer die Person ist, die mich da gerade freundlich ansieht. Sie kommt mir irgendwie bekannt vor. Doch ich erkenne nicht, dass es sich hier um meinen langjährigen Lebenspartner handelt. Wie die Programme eines Computers, muss auch mein Gehirn erst wieder Schritt für Schritt hochfahren. Das ist sehr beängstigend." Eine junge Frau schildert den Moment nach einem epileptischen Anfall.
Die ersten Aufzeichnungen über Epilepsie stammen aus der Antike. Die alten Griechen nannten sie die "heilige Krankheit", im Mittelalter galt sie als "schedelnde Gottesstraf". In der einen Epoche wurden Epileptikerinnen und Epileptiker verehrt, in der nächsten verfolgt. Über lange Zeit schrieb man ihnen übernatürliche Kräfte zu. Einige hören tatsächlich Stimme, oder haben Halluzinationen. Heute kennt man die neurologischen Gründe dafür.
Epilepsie hat viele Gesichter. Manche Betroffene leiden unter starken Krampfanfällen. Bei anderen weist der Blick nur einige Sekunden ins Leere, wird daher oft mit Tagträumerei verwechselt und auch meist erst spät diagnostiziert. Bei einem epileptischen Anfall feuern Nervenzellen übermäßig starke Signale. Davon kann entweder das ganze Gehirn betroffen sein, oder nur einzelne Areale. Wie bei einem überhitzten Computer kommt es dann zu einer Art Blackout im Kopf.
Meist dauern die Anfälle nur wenige Minuten. In seltenen Fällen können sie aber auch lebensbedrohlich sein und sich kurz nacheinander wiederholen - im Fachjargon spricht man hier von einem "status epilepticus". Die Ursachen für Epilepsie sind genauso vielfältig wie die Ausprägungsformen. Teils gibt es angeborene, oder genetische Faktoren. Aber auch andere Grunderkrankungen können epileptische Anfälle auslösen - beispielsweise Schlaganfälle, Gehirnentzündungen oder Stoffwechselstörungen wie Diabetes.
Bei manchen Betroffenen bleiben die Hintergründe komplett im Dunkeln und können auch nicht mit modernsten bildgebenden Verfahren geklärt werden. Meist wird Epilepsie mit Medikamenten behandelt. Sogenannte "Antiepileptika" können nur die Symptome bekämpfen und Anfällen vorbeugen, sie können die Erkrankung aber nicht heilen. In besonders schweren Fällen wird das Gehirn operiert, oder mit leichten Stromschlägen stimuliert, dabei kommen auch Implantate zum Einsatz. In der Kunst spielt Epilepsie eine große Rolle. Die "Fallsucht" hat Kulturschaffende über die Jahrhunderte hinweg inspiriert. Aber auch Betroffene selbst haben die Welt erobert. Alexander der Große soll genauso Epileptiker gewesen sein wie Napoleon und Cäsar. Das gilt auch für Vincent van Gogh und Aristoteles.
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