Zeichnung von Winnie Pooh

AP/CHARLES KRUPA

Gedanken für den Tag

Gedanken aus dem Hundertmorgenwald

Christian Herret, Pressesprecher der Dreikönigsaktion der katholischen Jungschar über "Pu der Bär"

Erstes Kapitel
In welchem erklärt wird, warum ich auf den Rat eines Stofftiers vertraue und wie ich entdeckt habe, dass Bücher mit mir sprechen können.
Im April 1975 starb mein Bruder. Meine Eltern waren mit sich selbst beschäftigt, versuchten zu begreifen, was geschehen war, das Geschehene zu verdrängen, oder einfach die Antwort auf die Frage: "wie weiterleben?" zu finden. Einen Achtjährigen übersiehst du leicht im Schock. Ich tat, was brave Kinder tun, wenn sie "keine Umstände machen" wollen: Ich griff zum Buch.

Ich hatte "Pu der Bär" bereits gelesen. Aber als ich wieder damit begann, war das, als hätte ich ein anderes in der Hand. Statt lustiger Geschichten über einen tollpatschigen, verfressenen Bären und seine komischen Freunde, begannen die Tiere zu mir zu sprechen. Jede der Geschichten schien eine Botschaft für mich zu haben, schien mir etwas sagen, etwas "mit auf den Weg" geben zu wollen.

Der Hundertsechzig-Morgen-Wald wurde mir in den ersten Wochen nach dem Tod meines Bruders zum Rückzugsort, Pu und seine Freunde zu lieben Vertrauten, die Trost und Rat gaben, mehr als die mit der Situation ohnehin heillos überforderten Erwachsenen. Wenn die Welt zwischen den Seiten schöner ist, als die, in der du lebst, dann besteht die Gefahr, dass du dich in ihr verlierst. Aber nicht, wenn du auf Pu hörst: "Du kannst nicht immer in der Ecke des Waldes bleiben und darauf warten, dass andere zu dir kommen. Du musst auch manchmal zu ihnen gehen."

Für ein introvertiertes, schüchternes und traumatisiertes Kind kann dieser Satz zur richtigen Zeit von dem Bären seines Vertrauens ausgesprochen, lebensverändernde Wirkung haben. Heute ist die Schüchternheit weg, das Trauma tief begraben - die Begeisterung für Pu ist geblieben. Mit ihm habe ich entdeckt, dass Bücher sprechen können. Dass Geschichten Botschaften haben, dass Buchstaben Quelle von Gefühlen - von Lachen bis Weinen - sind. Während sich die Welt meiner sorglosen Kindheit verabschiedete, eröffnete sich mir eine neue, die mich bis heute begleitet.

Service

Pu der Bär. Gesamtausgabe: Enthält die Bände "Pu der Bär" und "Pu baut ein Haus". Von Alan Alexander Milne (Autor), Ernest H. Shepard (Illustrator), Harry Rowohlt (Übersetzer), Dressler; 2009.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Michael Abbott
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Sara Weeks
Vorlage: A.A. Milne 1882 - 1956
Album: THE MANY SONGS OF WINNIE THE POOH
Titel: Wherever you are / aus dem Film "Winnie the Pooh's most grand adventure" / "Winnie Puuh auf grosser Reise" (1997)
Solist/Solistin: Jim Cummings
Orchester: Filmorchester
Länge: 02:47 min
Label: Walt Disney Records/EMI 3510432

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