Marie Jahoda, 1995

APA/HANS TECHT

Betrifft: Geschichte

Verfolgt und verhaftet im Austrofaschismus

Der Gerichtsakt von Marie Jahoda
mit: Andreas Kranebitter, Leiter des Archivs für die Geschichte der Soziologie in Österreich an der Universität Graz
Gestaltung: Isabelle Engels

Marie Jahoda (1907-2001) wird als Pionierin der Sozialforschung vor allem mit der sozialpsychologischen Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal" verbunden. Weniger bekannt ist, dass sie im Austrofaschismus von der Polizei verfolgt und schließlich inhaftiert wurde. Nach dem Februar 1934 hatte sie als politische Aktivistin und Organisatorin für die illegalen "Revolutionären Sozialisten" eine große Rolle gespielt. Als solche wurde sie ab 1936 polizeilich beobachtet. Bis Sommer 1937 saß sie insgesamt 9 Monate in Haft und wurde mit ihrer Freilassung ins Exil gezwungen.

Der Gerichtsakt wurde nun erstmals umfassend aufgearbeitet. Detailliert werden die verschiedenen Instrumente des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes beschrieben, die in der polizeilichen und juristischen Mehrfachbestrafung gipfelten. Jahodas Aussagen in Verhören legen aber auch die Regeln der konspirativen Untergrundarbeit frei: "Gib nur zu, was nicht mehr bestritten werden kann, und belaste andere nicht."
Die Akteneinsicht in den Fall Marie Jahodas und ihrer Mitangeklagten liefert somit nicht nur eine wichtige Ergänzung zur Biografie der bekannten Sozialforscherin, sondern leistet durch die soziologische und historische Kontextualisierung ihres persönlichen Schicksals auch ein Stück Aufarbeitung der allgemeinen Geschichte von Widerstand und Verfolgung im Dollfuß-Schuschnigg-Regime. Es wirft Fragen auf zum Verhältnis von politischem zu wissenschaftlichem Engagement, zur historischen Marginalisierung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb und zu den Gefahren autoritärer Entwicklungen in Justiz- und Polizeimaßnahmen.

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